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…und ehe ich mich versehe, sind es nicht mal mehr vier Wochen bis nach Roth. Längst ist ein neuer Blog überfällig, schließlich ist ja auch viel passiert in den letzten Wochen. Die mitteleuropäische Triathlonsaison nähert sich seinen großen Höhepunkten, die Big Players unter den Langdistanz-Rennen im deutschsprachigen Raum scharren schon in ihren Startlöchern und können den Ansturm der begeisterten Athleten kaum noch erwarten. Auch ich werde einer von ihnen sein, denn ich werde bekanntlich am 12. Juli beim Challenge Roth selbst am Start stehen.
Langdistanz-Triathlons erfolgreich zu absolvieren ist für Amateursportler sehr oft eine große Herausforderung. Um ein solches Projekt zu meistern, bedarf es in den meisten Fällen eine nicht unerhebliche Anzahl an Trainingsstunden, um am Tag X fit und vorbereitet zu sein. Vor allem in den letzten Wochen vor dem großen Tag erreichen die Trainingsumfänge noch einmal nicht geahnte Höhen. 15-20 Wochenstunden, manchmal sogar mehr, verlangen nicht nur den Sportlern, sondern auch deren Umfeld einiges an Geduld und Verständnis ab. Sport, Beruf und sonstiges Leben sollten dabei optimal im Einklang sein.
Auch bei mir ist das nicht anders, denn auch ich nehme die Herausforderung Roth sehr ernst und wer mich kennt, weiß, dass ich einfach gerne und auch viel trainiere. Das im Einklang mit meinem zweifelsfrei nicht immer stressfreien Beruf zu bringen, klingt schwierig, ist es aber für mich mittlerweile nicht. Genau genommen habe ich ein riesiges Privileg, denn ich darf mich sozusagen als Triathlon-Profi bezeichnen. Vorsicht, da ist ein kleiner, feiner Unterschied zum Profi-Triathleten. Als Triathlon-Profi verdiene ich mein Auskommen mit dem Sport Triathlon, zwar nicht, weil ich so schnell bin, sondern weil ich seit mittlerweile sieben Jahren dieses kleine, feine Triathlonmedium betreibe, das ihr alle kennt.
Alleine die Tatsache, dass mein Hobby auch in meinem Beruf verankert ist, erleichtert mir Vieles. Das war aber nicht immer der Fall. Als ich vor 7 Jahren mit der Arbeit an diesem Medium startete, konnte ich das schlicht und einfach nicht mit meinen sportlichen Ambitionen verbinden. Zumindest nicht in dem Maße, um in beiden Fällen Höchstleistungen zu bringen. Deshalb musste eine Entscheidung her und ich entschied mich für den Beruf. Zwei Jahre lang habe ich meine ganze Energie fast ausschließlich in die Arbeit gesteckt, um unser Medium dorthin zu bringen, wo es heute ist. In dieser Zeit war für mich an leistungsmäßigen Sport nicht zu denken und wenn ich ehrlich bin, habe ich ihn in dieser Zeit auch nicht wirklich vermisst.
Doch wenn du einmal Sportler bist, packt dich das Fieber irgendwann wieder und so begann ich Ende 2011 wieder ernsthafter zu trainieren. Nach zwei „Aufbaujahren“, in denen ich erstmals gelernt habe, sportliches und berufliches miteinander zu verbinden, war ich bereit, mehr zu investieren, um zu sehen, ob ich als Sportler noch ein bisschen Potential in mir habe.
Ich glaube, die Frage durchaus mit einem „Ja“ beantworten zu können, denn seit der letzten Saison läuft diese berühmte „Work-Life-Balance“ bei mir wie am Schnürchen. Einerseits profitiere ich immer noch von der beruflichen Aufbauarbeit und der gewonnen Routine der letzten Jahre, um meine Tätigkeiten effektiv, aber trotzdem meinen qualitativen Ansprüchen entsprechend, erledigen kann. Auch das neue „triaguide-Headquarter“ im Westen von Graz hat das Leben für mich einiges erleichtert. Hier ist alles auf Triathlon ausgerichtet – ich kann sozusagen frei nach „Humboldt“ arbeiten, wo ich will, wann ich will und wie ich will“. Neben einem großen Arbeitsbereich habe ich genügend Platz, um trainieren, zu relaxen und zu leben. Das spart mir schon einmal große Arbeitswege.
Der Tag beginnt bei mir aufgrund des Schwimmtrainings meist ohnehin sehr früh, in diesen Wochen war es noch einmal einen Tick früher. Exemplarisch möchte ich euch meine letzte Woche in kurzen Fakten zusammen tragen: 7 Tage, 24:10 Stunden Trainingszeit, aufgeteilt auf 17 Einheiten, 364 Kilometer Radfahren, 68km Laufen und 11km Schwimmen. Unter der Woche Fertigstellung des IRONMAN Austria-Specials – viele Telefonate, Design bis hin zur Druckvorstufe, Dreharbeiten für die österreichischen Triathlon-Sprint-Staatsmeisterschaften inkl. Fertigstellung des Films und zum Drüberstreuen noch ein Wettkampf über die Sprintdistanz.
Zugegeben, diese Woche ist in allen Bereichen extrem und zum Glück nicht der Normalfall. In Zeiten der modernen Medien können wir viele Dinge auch abseits des Büros erledigen. Dennoch habe ich gerade aufgrund der Produktionswoche versucht, zu Bürozeiten auch tatsächlich im Büro zu sein. Wegen der Hitze war mir ohnehin nicht nach viel Training tagsüber. So beginnt der Tag meist um 5 Uhr früh, um wenig später meiner erste Trainingseinheit zu absolvieren. Danach geht es ins Büro, wo ordentlich gearbeitet wird. Kurz nach dem Mittagessen ein 15-minütiger Powernap und schon bin ich fit für den Nachmittag. Ab 18 Uhr stand dann meist noch eine Trainingseinheit am Programm. In Produktionswochen wie dieser muss ich aber dennoch immer erreichbar sein, regelmäßiges Abrufen der E-Mails oder das ein oder andere Telefonat auch nach 18 Uhr sind in dieser Phase auch nicht zu vermeiden.
Am Samstag ging es dann für mich nach Neufeld zu den österreichischen Sprint-Staatsmeisterschaften. Die Drehtage, die ich für Austriathlon-TV machen darf, machen mir immer besonders viel Freude. Das tolle Feedback, das wir seit Jahren auf unsere Produktionen bekommen, macht die oft stressige Arbeit für mich zu einem großen Vergnügen. Wie bereits zwei Wochen zuvor beim Junioren-Europacup in Wien hatte ich einen vielbeschäftigten Tag. An beiden Renntagen war es ungemein heiß und die Produktion von zwei getrennten Starts von Damen und Herren verlangen logistisches Mitdenken und einige Zwischensprints mit dem Equipement. Doch durch Routine und gute Laufform ist das alles kein großes Problem und ich konnte alle benötigten Bilder plangemäß einfangen.
Nach erledigter Arbeit kam für mich die Belohnung. In Wien stand für mich die abendliche olympische Distanz und in Neufeld ein Sprintbewerb am Plan. Naturgemäß nicht mehr mit den frischesten Beinen, konnte ich das Rennen in Wien auf dem 17. Gesamtrang und den Bewerb in Neufeld sogar auf dem 11. Gesamtrang von jeweils knapp 400 Startern beenden. Die österreichische Moderator-Legende Richie Kapun fragte mich vor dem Rennen „Wieso tust du dir das nach dem Arbeitstag noch an“? Ich kann es ganz einfach beantworten – ich tu es mir nicht an – ich liebe es einfach!
Dieser Sport, das Training und der Wettkampf hat in meinem Leben einen unantastbaren Stellenwert. Mein Glück ist, dass auch mein Umfeld und mein Freundeskreis zu 99% in diesem Sport verankert ist. Mein Vater ist sogar noch ein bissl verrückter als ich, für den reicht ein einfacher IRONMAN ja gar nicht mehr aus – klar, dass da ein „Schaden“ zurückbleibt 😉
Dennoch muss man aufpassen, dass man nicht völlig zum Sozialzombi wird, denn es gibt auch ein Leben abseits unseres schönen Sports. Dass ich die viel zu seltene Pokerrunde mit meinen Brüdern letzten Freitag nach nur einer Stunde wieder verlassen habe, weil ich mir nicht mal mehr die Karten in meiner Hand merken konnte, ist der erste Beweis dafür, dass man Wochen wie diese nicht zum Dauerzustand werden lassen sollte.
In diesem Sinne, keep the Balance 😉
Euer
Andreas Wünscher