Wieder einmal ist einiges an Zeit vergangen, seit ich mich mit einem Blog bei euch melde, liebe Leser dieser Kolumne. Ich gelobe gar keine Besserung mehr, weil ich mich ohnehin kenne – ich schreibe über meine „privaten“ Rennen ohnehin zur Genüge auf meiner privaten Facebook-Seite, so dass die meisten meiner Freunde ohnehin oft genug Informationen bekommen. Kurz zusammen gefasst, meine Saison bisher verlief recht erfolgreich. Nach meinem frühen Start beim ISRAMAN standen einige Läufe auf dem Programm. Leider verletzte ich mich im Frühjahr am Unterschenkel und musste einige Wochen auf Lauftraining verzichten. Nichts desto trotz konnte ich beim Austrian 1/2 Iron am Röcksse und zwei Wochen später beim IRONMAN 70.3 St. Pölten mit guten Leistungen finishen. Danach folgten einige Sprint-Distanzen, wo ich zwei Mal in den Top 10 und ein weiteres Mal, beim Company Triathlon in Klagenfurt, sogar auf dem Gesamtstockerl landen konnte. Alles in allem zusammen gefasst, ein Jahr, mit dem ich bisher zufrieden sein konnte.
Vor allem ein Rennen genoss ich dabei ganz besonders – der IRONMAN 70.3 St. Pölten – für mich der vielleicht bestorganisierte Bewerb, den ich in meinen 10 Jahren im Sport gesehen habe. Zum ersten Mal seit 2009 stand ich dort als Einzelstarter wieder am Start und konnte die Strecke, so wenig sie mir als Athlet auch liegen mag, genießen. Das Wort „genießen“ beschreibt es irgendwie auch ganz gut, denn der Bewerb hatte für mich auch Schattenseiten, die ich in einem früheren Statement bereits angesprochen habe. Durch den so genannten „Rolling Start“, der nun bei so gut wie allen IRONMAN-Bewerben durchgeführt wird, ging mir persönlich jegliches Renngefühl verloren. Anders als bei früheren 70.3-Bewerben gab es keine Startwellen nach Altersklassen, sondern man konnte sich nach seiner geschätzten Schwimmzeit einordnen und wurde dann quasi einzeln ins Wasser gelassen – im Ziel zählt dann die Nettozeit. Der Vorteil dabei soll sein, dass es kein Gedränge im Wasser gäbe und jeder Athlet ruhig schwimmen könne. Der Nachteil an der Sache ist, dass man keinen Anhaltspunkt und keine Gegner hat. So kam es, dass ich das Rennen durch meine gute Schwimmzeit von vorne quasi alleine bestritt und als geschätzt Dritter oder Vierter meiner Altersklasse über die Ziellinie kam, um mich 10 Minuten nach meinem Zieleinlauf auf Rang 13 zu finden – eine anschließende Analyse der Schwimm- und Radzeiten bestätigten leider meine Befürchtungen, dass sich im Gegensatz zu den Wellenstarts die Gruppen am Rad wohl vergrößert haben müssen. Ähnlich wie beim Massenstart, den ich übrigens bei diesen Starterfeldern für nicht mehr zeitgemäß halte, sind hier die starken Schwimmer im Nachteil. Da es sich dabei natürlich auch um eine erst mal subjektive Empfindung von mir handelte, wollte ich mir die Sache aber noch genauer ansehen. Die nächste Möglichkeit dazu hatte ich beim IRONMAN Austria, wo im letzten Jahr erstmals Wellenstarts nach Altersklassen den Massenstart abgelöst hatten – mit großem Erfolg, was die Fairness auf der Radstrecke betrifft. Nun kam auch hier erstmals der Rolling-Start zum Zug. Meine Gedanken und Eindrücke, die ich bei meinen Filmarbeiten dem Motorrad auf der Radstrecke gesammelt habe, behalte ich lieber für mich. Ein Blick auf die Ergebnisliste genügt! Diese Bilder haben mich als ambitionierten Agegroup-Athleten ernsthaft zweifeln lassen, ob es das noch wert ist. Ob es das noch wert ist, 4-5x pro Woche im Winter ins Becken zu springen, um eine gute Basis für schnelle Schwimmzeiten zu schaffen. Wozu sollte ich das noch tun, wenn es für mich im Bewerb nicht nur kein Vorteil, sondern mittlerweile sogar ein krasser Nachteil ist? Als ich nach einigen moralisch schwierigen Tagen wieder einmal ein Schwimmtraining wegen vermeintlicher Sinnlosigkeit vorzeitig beendet habe, entstand in mir ein Plan.
Ich würde das Spiel umdrehen, um selbst zu erleben und auch zu zeigen, wie falsch dieses neue Startformat im Sinne eines fairen Sports ist. Die Möglichkeit dazu hatte ich beim wieder einmal hervorragend organisierten IRONMAN 70.3 Budapest. Als ich mit dem Veranstalter im Frühjahr über den Rolling Start gesprochen habe, waren unsere Bedenken über die Fairness ähnlich – dennoch sollte das Rennen, aus welchen Gründen auch immer, mit dieser Methode gestartet werden. Da ich im letzten Jahr ebenfalls in Budapest am Start war und mich dort in meiner AK auf dem 5. Rang platzieren konnte, hatte ich gute Erinnerungen – an den Wellenstart gemeinsam mit 300 anderen Athleten in meiner Altersklasse und Startwelle – das Gefühl, dich vor dem Start umzusehen und zu wissen, dass die Leute um dich herum heute die Mitstreiter sind, die ich hinter mir lassen muss, wenn ich mich für die IRONMAN 70.3-Weltmeisterschaften qualifizieren will. Im Rennen wusste ich ziemlich genau, wo ich stand und auf welcher Stelle ich lag. Das Rennen war eines der besten meines Lebens, nicht nur weil ich von Anfang an wusste, dass ich gut drauf war, sondern auch, weil ich ein rundum faires Rennen ohne größere Windschattenproblematik erlebt habe.
In diesem Jahr sollte das anders sein. Aber ich wusste das und war hier, um meinen Plan in die Tat umzusetzen. Dieser beinhaltete, nicht wie in St. Pölten ganz vorne mit den Schnellsten ins Wasser zu steigen, sondern erst später, mit langsameren Schwimmern. Eine etwas langsamere Schwimmzeit nahm ich dafür in Kauf, nur um zu sehen, was sich da hinten wirklich abspielte. Da ich weiß, dass ich um die 28 Minuten schwimme, ging ich ca. 4 Minuten nach dem ersten Agegroup-Starter ins Wasser mit Schwimmern, die sich eine Zeit von 32-35 Minuten zutrauten. Der Beginn war gleich wenig prickelnd – von ruhigem Losschwimmen konnte keine Rede sein – es gab Gedränge und Getrete – ein Athlet hat mir mit der Ferse so ins Gesicht getreten, dass ich dachte, diese käme mir beim Hinterkopf wieder raus. Aber gut, geschenkt – ich schwamm auch auf Athleten auf, die langsamer schwimmen – ich habs mir ausgesucht. Nach der ersten Boje und ein paar körperlichen Kontakten, auf die ich gerne verzichtet hätte, ging es für mich auf den Weg nach vorne. Ich erwischte einen halbwegs guten Tag im Schwimmen und konnte mich Zug um Zug nach vorne arbeiten. Etwas stutzig wurde ich, als ich auf dem Rückweg sah, dass mir kurz vor Ende meines Schwimmparts keine Schwimmer mehr entgegen kamen. Der Start dürfte also zeitlich ziemlich schnell über die Bühne gegangen sein. Im letzten Jahr war das deutlich anders. Als ich nach 28 Minuten und 16 Sekunden aus dem Wasser stieg, war ich begeistert. Ich schwamm schneller als im letzten Jahr, trotz der vielen Schlägereien und der Tatsache, dass ich alles alleine ohne Wasserschatten schwimmen musste. Beim Abnehmen der Schwimmbrille passierte mir noch ein kleines Missgeschick – meine Kontaktlinse verabschiedete sich. Zum Glück klebte sie noch auf meinem Gesicht und ich konnte sie nach einem kurzen Stopp einsetzen.
Das Treiben in der Wechselzone war gigantisch und schon ein Vorgeschmack auf das, was auf dem Rad noch folgen sollte. Was sich auf der ersten von zwei Radrunden abgespielt hat, kann ich gar nicht in Worte fassen. Ich habe als Sportler und Journalist in den letzten 10 Jahren unzählige große und kleine Rennen unterschiedlichster Art erlebt, aber das schlägt dem Fass den Boden aus. Ich fühlte mich in meine Zeit als Radrennfahrer zurück versetzt, der einfach locker im Pulk mitrollt. Ein Pulk, das größer und größer wurde. Nach jeder Wende sah ich noch größere Pulks, die in Höllentempo durch den Gegenverkehrsbereich aneinander vorbei rasten. Durch die vielen Überholmanöver wurde die Sache zu einem hochgefährlichen Spiel. Selektion bot nur der kleine Anstieg zur Burg und einige technisch schwierig zu fahrende Passagen auf der Abfahrt und rund um die Kettenbrücke. Die erste Runde verging schnell, nicht nur weil pro Runde aufgrund einer Baustelle ca. 2 Kilometer weniger zu fahren waren. Sie verging vor allem deshalb, weil es so herrlich gut dahinrollte, umgeben von hunderten Athleten und Wattwerten deutlich unter 150 Watt. Um mich nicht allzu sehr zu verspannen, erhob ich mich öfters mal, streckte mich durch und rollte mal am Oberlenker dahin. Wie sehr hätte ich gehofft, mich getäuscht zu haben, aber genau diese Befürchtungen wurden nun wahr.
Am Beginn der zweiten Runde wurde mir die Sache aber dann doch zu bunt. Auch wenn ich zuvor schon immer wieder mal Tempo gemacht habe in der Gruppe, war ich nun völlig alleine im Willen, wenigstens ein bisschen Dampf zu machen. Die Gruppe rollte mit 36km/h dahin und niemand wollte fahren. Als ich bemerkte, dass ein Athlet ein Loch aufriss und eine Attacke versuchte, zögerte ich nicht und hörte auf meinen Instinkt – ich stieg auf die Pedale und setzte mich von vorne von der Gruppe ab. Als ich zu meinem Mitstreiter aufschloss, bemerkte ich, dass er nicht mehr weiter folgen konnte und so stand ich vor der Wahl – wieder zurück fallen lassen oder einfach das tun, wozu ich hier bin – ein Rennen zu machen. Ich entschied mich für die Methode „Augen zu und durch“ – Kopf runter, 300-350 Watt auf die Kurbel und schauen, ob ich die nächste Gruppe, die schon weit vor mir war, auch im Alleingang kriege. Einige Kilometer später am Beginn des Anstiegs hatte ich die Gruppe endlich in Sichtweite. Ich kämpfte mich heran und überholte am Ende des Anstiegs die ersten Athleten. Auf der Kuppe des Anstiegs fuhr ich bei einem bekannten Gesicht vorbei – niemand geringerer als Alexandre Vinokourov – immerhin noch amtierender Rad-Olympiasieger – wurde von mir am Berg überholt. Ich möchte hier in diesem Artikel nicht werten, ob es gut ist, einen umstrittenen und gesperrten Ex-Doper als Amateur und „Stargast“ bei einem solchen Bewerb am Start zu haben. Mich persönlich hat es motiviert, ihn eingeholt zu haben. Auf der Abfahrt drückte er dann mächtig aufs Tempo – ich habe alle meine noch irgendwo vorhandenen Radfahrer-Skills von früher benötigt, um in dieser schwierigen Abfahrt mit extrem schlechter Straße dabei zu bleiben. Aber ich schaffte es und den Rest der Radstrecke verbrachten wir quasi gemeinsam und rollten fortan das Feld gemeinsam mit einem tschechischen Athleten von hinten auf. Wir fuhren diese Strecke wirklich äußerst fair, ich blickte nicht mehr zurück, wer von den aufgesammelten Fahrern noch hinter uns klebte, war mir egal. So kam ich nach exakt 85 Kilometern mit einer guten Radzeit von 2:13:47 in die zweite Wechselzone und bereitete mich auf den abschließenden Halbmarathon vor.
In der zweiten Runde konnte ich mich absetzen und zumindest einen Teil der Strecke fair fahren – Bild (c) IRONMAN 70.3 Budapest / Vanik
Dieser sollte mit Außentemperaturen von etwa 33°C alles andere als einfach werden. Ich möchte über den Lauf gar nicht allzu viele Worte verlieren – ich bin zufrieden. Ich konnte trotz der Hitze das Tempo konstant halten, auch wenn ich durch die Hitze nicht voll aufdrehen konnte. Ich konnte mich einfach nicht mehr wirklich quälen und lief einen „angenehmen“ Pace. Am Ende schaute dabei eine Endzeit von 4:17:50 heraus, was dem 53. Gesamtrang und den 11. Rang in der in diesem Jahr stark besetzten AK35. Den Zieleinlauf konnte ich noch wirklich genießen, das Rennen war sehr kurzweilig und meine Form ist am Ansteigen – noch fünf Wochen bis zur WM in Australien – ich glaube ich bin bereit 🙂
Doch bei aller Freude über ein gutes Rennen und eine starke Zeit muss man auch einiges relativieren und kritisch sehen. Da ich die Werte und Daten aus dem Vorjahr kannte, wusste ich schon während des Rennens, wie unterschiedlich sich der Bewerb durch dieses Startformat entwickelte. Bisher musste ich mich auf mein Gefühl verlassen – jetzt habe ich knallharte Fakten – und die sollten den Verantwortlichen hoffentlich, und das bitte ich inständig, als Denkanstoß dienen. Auch wenn die Distanz aufgrund der Baustelle in diesem Jahr 4 Kilometer kürzer war, so konnte ich meine Durschnittsgeschwindigkeit gegenüber dem Vorjahr um einen Kilometer pro Stunde (!) steigern. Hingegen sank die durchschnittliche Wattleistung um 28 Watt (!), bei der Normalized Power waren es immer noch 23 Watt. Aerodynamik auf höchstem Niveau? Nein, definitiv nicht – Rad, Trikot, Helm, Laufräder – alles das selbe wie im letzten Jahr – siehe Bilder unten.
Auf den Bildern habe ich extra das Wasserzeichen von Finisherpix oben gelassen, um zu zeigen, um welche Jahre es sich handelt – Bilder sagen mehr als tausend Worte.
Apropos tausend Worte – die habe ich schon längst überschritten – ich würde mich freuen, eure Meinungen, Eindrücke und Erfahrungen mit diesem Startformat mitzuteilen.