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Chefsache – my Raceday in Roth

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12. Juli 2015 – 03:40 – Tagwache – ich habe wenig, aber gut geschlafen und fühle mich bestens – keine Schmerzen mehr im Rücken und auch mein Zahn hat sich in den letzten Tagen relativ ruhig verhalten. Nichts wird mich aufhalten können, es ist alles bereit, um den Tag zu genießen. Noch schnell die am Vortag bereit gestellten Sachen zusammen getragen und los ging es ins Auto Richtung Roth. Mein „Frühstück“ nahm ich auf der Fahrt zu mir – mehr als ein Stück Plundergebäck und eine Banane brauchte es nicht, den Rest habe ich flüssig zu mir genommen. Mit dem Pressebus ging es für mich dann auch stress- und staufrei zum Startgelände, wo ich meine letzten Vorbereitungen traf. Rad gecheckt – zum Glück war die Luft noch drin. Die  Wechselzone hier ist ein Wahnsinn – so etwas habe ich noch nie gesehen – fast 6.000 Sportler tummeln sich hier und dennoch kommt niemals auch nur ein kleines Gefühl von Hektik auf. Auch mehrere nervöse Toilettengänge bedeuten hier kaum mehr als 2 Minuten Wartezeit – der Veranstalter hat hier eine Unmenge an Toiletten bereit gestellt.

Beim Schwimmen Kräfte gespart und trotzdem flott

Den Start der Profis habe ich gar nicht richtig mitbekommen – doch das war heute auch nicht meine Aufgabe. Für heute habe ich das blaue Band des Journalisten abgelegt und bin einfach nur Sportler und „Fan“. Um 7:05 ging es für mich auf die 3,8 Kilometer im Main-Donau-Kanal. Wie geplant ließ ich es locker angehen und schwamm nicht das übliche harte Tempo an. Trotzdem konnte ich mich gleich an die 3. Position meiner Startwelle setzen, die ich dann auch relativ locker halten konnte. Bis zur ersten Wende nach ca. 1,6 Kilometern war es noch sehr übersichtlich – ich befand mich an der Spitze meiner Startwelle, doch dann begannen die Überholmanöver. Vor mir startete die „Sub9-Elite-Welle“, die wir nach und nach aufsammeln konnten. Leider hatten die männlichen Agegrouper alle die selbe Mützenfarbe, so war es für mich irgendwann unmöglich, mich an anderen Athleten zu orientieren. Zusammen mit vielen der 600 Frauen, die in den Wellen vor uns gestartet waren, ergab das mittlerweile zahllose Überholmanöver. Doch meine Schwimmleistung blieb konstant und ich verschwendete kaum Energie. So kam ich nach für mich relativ entspannten 57 Minuten und 28 Sekunden aus dem Wasser. Da auch die Zeiten der Profis in diesem Jahr rund eineinhalb Minuten langsamer waren, kann ich mit dieser Zeit wirklich gut leben. Der Wechsel klappte fast problemlos, nur meine Gels fielen mir beim Ausleeren des Radsackes aus dem Trikot, das ich erst nach dem Schwimmen anzog. Doch dank der großartigen Unterstützung der Helferin in der Wechselzone klappte der Wechsel trotzdem wie am Schnürchen.

Auf dem Rad fand ich sofort einen guten Rhythmus. Ich machte gleich viele Positionen gut und das Feld teilte sich trotz der großen Starteranzahl relativ schnell auf. Die ständige Anwesenheit eines oder mehrerer Kampfrichter haben natürlich ebenso dazu beigetragen wie die erstmalige Doppelbestrafung für Windschattenfahren. Erstmals gab es in Roth neben einem 5-Minuten-Penalty noch eine zusätzliche 1km-Laufrunde, abzuspulen bei Kilometer 28 des Marathons. Eine großartige Idee und wie ich glaube auch eine wahnsinnige Abschreckung. Auf alle Fälle habe ich noch nie ein Rennen erlebt, in dem es so fair zuging. Das macht mir Hoffnung und zeigt, dass es, wenn alle, nämlich Athleten, Kampfrichter und Veranstalter, ihre Hausaufgaben machen, auch bei wirklich großen Starterfeldern faire Bedingungen möglich sind.

Ein durch und durch faires Radrennen – dass es so etwas noch gibt 🙂

Bei mir lief es wirklich rund. Auf den ersten 40 Kilometern machte ich gleich ordentlich Dampf und auch über den „Scharfrichter“, den Kalvarienberg in Greding, kam ich ganz locker und mit gutem Rhythmus drüber. Doch dann wurde es mühsam. Bereits bei der Kursbesichtigung fiel mir auf, dass die zweite Hälfte der Runde um einiges schwieriger ist als die erste, zudem begann auch der Wind seinen Arbeitstag. Hier musste ich ordentlich Energien lassen, um einen angemessenen Speed aufrecht zu erhalten. Nach ca. 70 Kilometern meldete sich plötzlich mein unterer Rücken – es zog stark und wurde immer schlimmer – komisch, das Problem hatte ich seit Jahren nicht mehr in dieser starken Form. Das hatte aber nichts mit meinem verrissenen Rücken drei Tage zuvor zu tun, das kam einfach vom ständigen Drücken. So musste ich immer wieder mal locker machen und mich durchstrecken.

Das Rad-Setup passte perfekt!

Die Abfahrten nütze ich, um mich zu entspannen, während einige meiner Mitstreiter lieber einen „Sebastian-Kienle-Look-Alike“-Wettbewerb austrugen und teils einhändig mit nach hinten gestreckter Hand die kurvige Abfahrt nach Obermässing runter fuhren. Selbstredend sah man dann bereits in der ersten Kurve schon den Rettungswagen stehen und einige Räder auf der Straße liegen. Zum Glück gab es keine schweren Verletzungen. Aber jeder, wie er will, ich kam jedenfalls unfallfrei und komischerweise gleich schnell wie meine tollkühnen Vorderleute unten an und konnte weiterhin Druck machen. Anfang der zweiten Runde löste sich der Schmerz im Rücken mehr und mehr und ich saß wieder entspannter am Rad. In der zweiten Runde war große Konzentration gefragt, durch die Staffelteilnehmer, die erst ihre erste Runde fuhren, musste ich bei den Überholmanövern immer aufpassen. Einerseits, nicht in den Windschatten zu geraten, andererseits, dabei unfallfrei durchzukommen. Doch im Großen und Ganzen haben sich die Teilnehmer hier sehr fair verhalten und ich konnte auch die zweite Runde ohne große Probleme absolvieren.

Solarer Berg – unbeschreiblich!

Die Stimmung an der Strecke ist einfach fantastisch – es ist unbeschreiblich, was sich in Roth abspielt. Bereits beim Schwimmen ist die Stimmung am Kochen, im Wasser bekam ich das aber nicht so mit wie am Rad. In jedem Ort gab es Stimmungsnester mit tausenden Zuschauern und eines übertraf einfach alles – der Solarer Berg treibt dir die Tränen in die Augen. Bereits der Anstieg davor ist mit Menschenmassen, Partystimmung der Kracher, danach empfangen sie dich in Zehnerreihen und dann biegst du in den abgesperrten Bereich ein und da ist sie – die rot-grüne Wand. Ich habe sie zwar im Zuge meiner Dreharbeiten schon oft gesehen, aber so mittendrin ist das noch einmal ein ganz anderes Gefühl. Leider musste ich in der ersten Runde aufpassen, da ich hinter einer Athletin nachfahren musste, die etwas unsicher am Rad war. Doch in der zweiten Runde konnte ich es voll genießen. Viel weiter hinauf als in den letzten Jahren standen die Zuseher, ich glaube das dürfte ein neuer Rekord gewesen sein.

In der zweiten Runde wurde der Wind stärker, aber ich fühlte mich dennoch recht schnell unterwegs. Lediglich meine Beine forderten schon langsam der Hitze Tribut. Leichte Krampfansätze konnte ich durch die Zufuhr von Salztabletten und einigen Auslockerungsübungen schnell in den Griff bekommen. Auf den letzten 5 Kilometern zur Wechselzone herrschte dann aber frontaler Gegenwind. Dementsprechend hab ich hier voll rausgenommen und hab auf eine Sub-5-Zeit bewusst verzichtet, um nicht mit noch härteren Beinen in den Marathon zu gehen. Die 150. Radzeit ist es trotzdem geworden. Mit der Radleistung bin ich zu 100% zufrieden.

Die Biermeile in Eckersmühlen galt es 3x zu durchfahren – nüchtern versteht sich 😉

Der Wechsel klappte schnell – fast zu schnell, denn ehe ich mich versah, lief ich den Marathon. Ich kannte nur Teile der Strecke und das sollte sich im Nachhinein als Fehler heraus stellen. Wenn du auf dem ersten Kilometer ca. 10% Steigung bergab läufst und du dort auch das „KM39“-Schild stehen siehst, weißt du gleich am Anfang, dass du das am Ende alles wieder hoch laufen musst. Gleich mal eine Breitseite für die Moral. Weiter ging es mit den schlechten Nachrichten. Bei Kilometer 3 fing mein Rücken wieder brutal an zu schmerzen, doch den Schmerz kannte ich von meinen bisherigen 9 Langdistanzen. Der hört normalerweise nach 1-2 Kilometern wieder auf und so war es dann auch. Gut, dass ich ruhig geblieben bin. Ein größeres Problem war für mich da schon die Hitze – die Sonne brannte herunter mit Temperaturen über 30°C und es gab auf den ersten 21 Kilometern so gut wie keinen Schatten. Doch die Versorgung mit Labestationen war ausgezeichnet, ich konnte mich gut ernähren und kühlen, alles war in Hülle und Fülle vorhanden. Ich lief einen ganz guten Rhythmus, auch wenn er nicht besonders schnell war. Die Hitze und auch der weichere Untergrund kosteten mich sehr viel an Energie. Leider bin ich mit der Fehlannahme ins Rennen gegangen, dass der Teil vom Kanal, den ich kannte, das ziemlich einzige Schotterstück sei, dem war allerdings nicht so. Gut 30 Kilometer galt es auf dem für mich immer mühsamer werdenden Untergrund zurück zu legen. Bis Kilometer 24 ging es vom Tempo her noch ganz ordentlich dahin, dann musste ich Tribut zollen. Gerade auf den Schotterstücken brach mein Tempo richtig ein, auf Asphalt war ich dann mit gleichem Aufwand 15-20 Sekunden schneller pro Kilometer. Dabei hatte ich bewusst einen weicheren Schuh genommen, da ich mit diesem im Training bei langen Läufen weniger Ermüdungserscheinungen gehabt habe. Für diesen Untergrund im Nachhinein die falsche Entscheidung. Doch Jammern hilft nicht, ich hab das Ding zu Ende gebracht und konnte die letzten 3 Kilometer sogar noch in recht flottem Tempo laufen, auch wenn meine Beine mehr als kaputt waren. So kam ich mit einer Marathonzeit von 3:38 und einer Gesamtzeit von 9:42:44 auf dem 123. Gesamtrang bei den Herren mit der insgesamt 133. Zeit ins Ziel, was für mich eine Verbesserung meiner persönlichen Bestzeit um knapp 6 Minuten bedeutete.

Der Einlauf in das riesige Zielstadion ist noch einmal ein wirklich tolles Erlebnis, auch wenn ich so „paniert“ war, dass ich das gar nicht mehr so richtig genießen konnte. Mal abgesehen vom einmaligen Erlebnis, stelle ich mir die Frage, ob ich sportlich zufrieden bin. Als ambitionierter und ehrgeiziger Sportler sollte man das sowieso nie sein, aber ich denke, es war ein wirklich starkes Rennen. Das einzige, was mich selbst etwas ärgert ist, dass ich meine starke Laufform an diesem Tag einfach nicht abrufen konnte, was sich letztlich auch in der Marathonzeit bemerkbar machte. Die hatte ich 10-15 Minuten schneller auf dem Plan. Aber wie ich schon im Vorfeld sagte, auf der Langdistanz kann so viel passieren und man ist einfach von vielen Umständen abhängig wie Wetter, Temperaturen, Tagesform. Deshalb freue ich mich zu sehen, dass da noch einiges Potential in mir steckt und genieße das, was mir in Roth gelungen ist, mit einem Lächeln – wird ja nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich hier am Start bin.

Proud Finisher!

Zum Schluss möchte ich mich noch bei einer ganzen Reihe von Menschen bedanken. Allen voran der Familie Walchshöfer für die Möglichkeit, diese Tage hier zu erleben. Das, was ihr hier auf die Beine gestellt habt, ist mit nichts auf der Triathlonwelt zu vergleichen. Im Landkreis Roth scheint ein Zauber zu liegen. Die Menschen leben dieses Event. 6.000 freiwillige Helfer, die mit einer Begeisterung und vor allem auch großer Kompetenz dabei sind, sprechen für sich. 260.000 Fans an der Strecke feiern dich von den frühen Morgenstunden bis in die späte Nacht – es ist einfach fantastisch!

Bedanken möchte ich mich auch bei meinem Trainer Markus Ressler (trialize), der seit Ende 2011 für meine Trainingsplanung verantwortlich ist und der mich vor allem in den letzten beiden Jahren Stück für Stück schneller macht. Ein Riesen-Dankeschön auch an meine Schwimmtrainerin Ursula Gigler Gausterer und der Trainingsgruppe von trigonomic Austria. Das Schwimmen in der Trainingsgruppe unter der Anleitung von Ursi hat mich in den letzten beiden Jahren schwimmtechnisch noch einmal weit nach vorne gebracht! Ein großer Dank natürlich an meinen Vater Johann Wünscher, der mich immer bei meinen Vorhaben unterstützt und auch dieses Mal als mein Betreuer, Fotograf und moralische Stütze vor Ort war – und last, but not least, an euch alle fürs Mitfiebern, Kommentieren, Gratulieren und Motivieren!

Das war sie also – meine road to Roth! Doch keine Sorge – „Chefsache“ wird es weiter geben. Die vielen positiven Rückmeldungen motivieren mich dazu, auch weiterhin aus meinem Sportler- und Journalistenleben zu berichten. Nach ein paar Tagen Erholung werde ich mich mit neuen Taten bei euch melden!

Bis dahin – keep calm and do triathlon

Euer

Andreas Wünscher

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