So viel wie nirgendwo anders wird im Vorfeld auf Hawaii spekuliert, wer denn die Krone des Ironman-Triathlon mit nach Hause nehmen kann. Kein anderes Rennen hat einen derartigen Mythos, eine solche Vergangenheit und verfügt über eine so unfassbare Anziehungskraft wie die 226 Kilometer in der Lavawüste mit Ausgangspunkt in Kailua/Kona.
Unter den Favoriten die „üblichen Verdächtigen“, Außenseitersiege sind in Kona so unwahrscheinlich wie Schneefall. Um euch die Übersicht etwas zu erleichtern, haben wir für euch die Favoriten, die aus unserer Sicht das Rennen unter sich ausmachen werden, zusammengefasst.
Herren:
Andreas Raelert *****
Selten zuvor wurde in den letzten Jahren ein Mann so in den Vordergrund gehoben wie Andreas Raelert im Jahr 2011. Nach Platz drei beim Debut 2009 und Platz zwei im letzten Jahr ist der ältere der beiden Raelert-Brüder reif für den Sieg wie nie zuvor. Letztes Jahr rückte er Chris Mc Cormack schon mächtig auf die Pelle, dieser ist in diesem Jahr gar nicht am Start. Aber auch wenn der zweimalige Sieger mit von der Partie wäre, würde der Sieg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur über den Deutschen laufen. Raelert hat sich zu einem kompletten Triathleten entwickelt, ohne wirkliche Schwächen. Er kommt stets vorne aus dem Wasser, hat bei der Challenge Roth mit einer bisher noch nie dagewesenen Radzeit geglänzt und beim abschließenden Marathon noch eines drauf gesetzt. Das Resultat war bekannt: 7 Stunden und 41 Minuten – Fabelweltbestzeit.
Craig Alexander ****
Der Aussie ist sicherlich einer der heißesten Tipps, denn, wer dieses Rennen schon zwei Mal gewonnen hat, der weiß, wie es geht. In Europa lässt sich der fabelhafte Läufer nie blicken, deshalb wird er in unseren Breitengraden oft unterschätzt. Nach seinem vierten Platz im letzten Jahr strotzt er aber heuer wieder vor Selbstvertrauen und hat bei der Ironman 70.3-WM in Las Vegas gezeigt, dass er immer noch gewinnen kann. Als seine einzige Schwäche gilt das Radfahren, an dem er zuletzt hart gearbeitet hat. Wenn er seinen Rückstand nach dem Radfahren in Grenzen hält, wird es für die Konkurrenz schwer.
Marino Vanhoenacker ****
Der „Mr. Ironman Austria“ hat im Juli Triathlongeschichte geschrieben. Zum sechsten Mal in Folge gewann er den Ironman Austria und unterbot die bisherige Weltbestzeit von Luc van Lierde um rund 5 Minuten. In Kona haderte er lange mit den Bedingungen, war einige Male in den Top 10 und kratzte am Podium. Letztes Jahr war er erstmals unter den Top-3. Seine persönliche Verbesserung gegenüber letztem Jahr konnte man beim Ironman Austria beobachten. Wenn er diese Form auch in Kona erreicht, läuft er um den Sieg mit. Ähnlich wie Raelert hat auch der Belgier so gut wie keine Schwächen und ist in allen drei Disziplinen auf Weltklasse-Niveau.
Timo Bracht ***
Der zweimalige Ironman-Europameister hatte heuer einen ruhigeren Sommer. Mit Siegen beim Ironman Arizona 2010 und seinem Sieg beim Ironman Lanzarote im Mai 2011 sicherte sich der schnelle Läufer vorzeitig die Qualifikation für Hawaii. Dadurch hatte er den Vorteil, den Sommer völlig auf die Vorbereitung für Hawaii ausrichten zu können. Platz 6 steht für Bracht als bestes Ergebnis in Kona zu Buche, doch wer Bracht kennt, weiß, dass er sich damit bestimmt nicht zufrieden gibt. Seine absolute Stärke ist der Lauf, wenn das Rennen taktisch nach seinen Vorstellungen läuft, ist er für eine Überraschung immer gut.
Chris Lieto ***
Der schnellste Radfahrer im Feld hat bei Weltmeisterschaften meist ein Deja Vu-Erlebnis. Fast immer kommt der US-Amerikaner als Führender vom Radpart, meist mit Riesen-Vorsprung. Oft musste er diesem Aufwand aber Tribut zollen und fiel weit zurück. Doch in den letzten Jahren hat Lieto stark an seiner Laufschwäche gearbeitet und sich 2009 nur Craig Alexander geschlagen geben müssen. Vor wenigen Wochen bei den Ironman 70.3-Weltmeisterschaften in Las Vegas passierte es aber erneut – Lieto wurde auf dem Weg zum Sieg von Craig Alexander überholt, sicherte sich aber noch Rang 2. Wenn Lieto einen perfekten Tag erwischt, ist auch er ein Siegkandidat.
Faris Al Sultan **
Der Sieger von 2005 sagt selbst, dass er kein Siegkandidat mehr ist, aber der Bayer mit arabischen Wurzeln hat zu seiner Form wiedergefunden. Nach einigen schwierigen Jahren mit Verletzungen hat Al Sultan bei den Ironman-Europameisterschaften in Frankfurt groß aufgezeigt und überlegen gewonnen. Al Sultans große Stärken ist der Schwimm- und Radpart. Er kommt fast immer vorne aus dem Wasser und kann das Rennen am Rad mitgestimmen. Alles hängt davon ab, wie gut er seine Laufform hinkriegt. Für einen Platz zwischen 3 und 5 ist er in jedem Fall noch fähig.
Rasmus Henning **
Auf Hawaii ist dem schnellen Läufer bisher noch nicht das optimale Rennen geglückt. Wie schnell der Däne aber sein kann, hat er im letzten Jahr bei der Challenge Roth bewiesen, als er in 7 Stunden und 51 Minuten finishte.
Andreas Böcherer **
Kometenhaft aufgestiegen ist in diesem Jahr der Deutsche Andi Böcherer. Der starke Radfahrer hat seine Punkte für das Kona-Qualifying vor allem mit drei Siegen über die Ironman 70.3-Distanz geholt, unter anderem auch bei der EM in Wiesbaden. Mit Platz 2 beim Ironman Südafrika hat er schon früh Punkte geholt und konnte somit ähnlich wie Bracht auf einen Ironman im Sommer verzichten. Ob sich das positiv auswirkt, wird man am Samstag sehen.
Michael Weiss **
Im letzten Jahr landete der stärkste Österreicher im Ironman-Zirkus auf Rang 13. Der Ironman St. George-Sieger 2010 hat sich in diesem Jahr vor allem im Laufen stark verbessert und zählt mittlerweile zu den schnellsten Läufern der Szene. Alles wird davon abhängen, wie viel Rückstand Weiss bei seiner schwächsten Disziplin, dem Schwimmen, aufholen muss. Wenn der sich dieser in Grenzen hält, ist ein Platz unter den Top 10, eventuell sogar Top 5, durchaus möglich.
Damen
Chrissie Wellington *****
Wer sonst als die britische Überfliegerin soll in Kona gewinnen? Ungeschlagen ist sie seit Anbeginn auf der Langdistanz, ihre Fabel-Weltbestzeiten in Roth lehren mittlerweile schon eher den Männern als den Frauen das Fürchten. Zu groß ist der Abstand zur Konkurrenz. Wer oder besser gesagt was kann Wellington schlagen? Nur sie selbst, wie es die Vergangenheit gezeigt hat. Letztes Jahr der Rückzug am Renntag aus gesundheitlichen Gründen, somit war der Weg frei für die Konkurrenz. Auch in diesem Jahr schöpft der Rest des Starterfeldes leichte Hoffnung, denn Wellington hat sich einen bösen Trainingssturz zugezogen, zwei Wochen vor Kona, mit Prellungen und Hautabschürfungen. Wenn diese bis zum Renntag verheilt sind, wird es mehr als schwer, die Britin zu schlagen.
Mirinda Carfrae ****
Nur zu behaupten, die Vorjahressiegerin habe ausschließlich vom Ausstieg Wellingtons profitiert, wäre nicht fair gegenüber der schnellen Australierin. Sie hat in den letzten Jahren mehrmals bewiesen, dass sie früher oder später in eine Liga ála Chrissie Wellington aufschließen kann. Mehrmals lief sie in Kona schon die schnellste Laufzeit, die 2 Stunden und 53 Minuten vom letzten Jahr waren phantastisch. Doch beim Schwimmen und auf dem Rad ist sie noch eine Klasse unter Wellington anzusehen.
Caroline Steffen ***
Die Vorjahreszweite zählt zu den stärksten Radfahrerinnen im Feld. Bei ihrem Sieg beim Ironman Frankfurt in diesem Jahr demolierte die Schweizerin die Konkurrenz am Rad, musste aber beim Laufen bitter büßen und verspielte fast ihren gesamten Vorsprung. Viel wird davon abhängen, ob ihr ein guter Lauf gelingt, dann ist das Podium in Reichweite.
Mary Beth Ellis ***
Was hat Mary Beth Ellis mit Chrissie Wellington gemeinsam? Beide sind noch ungeschlagen auf der Langdistanz. Doch der Vergleich hinkt noch etwas, denn Ellis hat heuer beim Ironman Austria erst ihr Langdistanz-Debut gefeiert. Dort hat sie aber die Fachwelt in Staunen versetzt. Bestzeiten in allen drei Disziplinen und einer Zeit von 8 Stunden und 44 Minuten setzte sie ein kräftiges Ausrufezeichen. Die vom Australier Brad Sutton trainierte TBB-Athletin folgt dem Credo ihres Coaches – viel hilft viel – und so gewann sie in diesem Jahr neben dem Ironman Regensburg auch noch den Ironman in Canada.
Karin Thürig **
Im letzten Rennen ihrer Profikarriere will es die schnelle Schweizerin noch einmal wissen. Ihre Radprofi-Karriere hat sie letztes Jahr beendet, um sich noch ein Jahr komplett auf den Triathlon zu konzentrieren. Dass ihr das gut getan hat, zeigte sie vor allem mit ihren Siegen beim Ironman Suisse, dem Ironman 70.3 in St. Pölten und Wiesbaden. Thürig hat sich vor allem im Lauf sehr stark verbessert und kann an einem guten Tag um die Podiumsplätze mitreden.
Virginia Berasategui **
Als Dritte konnte sie im Vorjahr erstmals das Podium erobern. Sie gilt als ausgeglichene Athletin mit wenig Schwächen. Sie dürfte aber in keiner der drei Disziplinen zu solchen Überleistungen wie eine Chrissie Wellington fähig sein.
Julie Dibens **
Kletterte letztes Jahr auf das Podium, war lange in Führung, müsste aber beim Laufen Tribut zollen und fiel auf Rang 3 zurück. Die extrem starke Radfahrerin dürfte das Rennen spannend machen.
Yvonne Van Vlerken *
Wer in Kona schon einmal Platz zwei erreicht hat, weiß, wie es geht. Obwohl die großen Siege und Rekorde weniger werden, ist die schnelle Niederländerin noch immer für eine gute Platzierung gut.