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Lubos Bilek: Sebastian hasst es, zu verlieren

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Hallo Lubos, vielen herzlichen Dank, dass du dir Zeit für uns nimmst und unsere Fragen beantwortest. Du bist der Trainer des derzeit erfolgreichsten Langdistanzathleten und hast einen wesentlichen Anteil an seinem Erfolg – wie hast du Sebastian Kienle kennengelernt und was zeichnet ihn aus?

Ich kenne Sebastian seit Februar 2006. Damals war er noch im U23 Kader im Landeskader Baden-Württemberg und ich war dort der Landestrainer. Die ersten 2 Jahre habe ich ihn nur in den Trainingslagern betreut und habe ihm ein paar Tipps fürs Training gegeben. Er hat sich damals selber trainiert und von Wolfgang Rentschler sehr viel gelernt. Im Jahr 2008, als er altersmäßig aus dem Kader ausgeschieden ist, habe ich ihn als Trainer übernommen und für Ihn die Trainingspläne geschrieben. Was ihn auszeichnet? Sebastian hat eine hohe Motivation, mentale Stärke viel Talent, und er hasst es, zu verlieren.

Sebastian gilt nicht zuletzt nach dem Weltmeistertitel in Las Vegas als einer der großen Favoriten für das Rennen am 11. Oktober, bei dem er im Vorjahr nach dem Weltmeistertitel 4. wurde. Habt Ihr im Training noch etwas gegenüber dem Vorjahr verändert, lag der Fokus diesmal mehr auf der Langdistanz als im Vorjahr?

Klar hat sich das Training verändert. Wir versuchen immer Dinge, die erfoglreich sind oder funktionieren im Training beizubehalten, und zusätzlich lassen wir uns jedes Jahr etwas Neues einfallen, was uns weiter nach vorne bringt. In diesem Jahr war es durch die Verletzung viel schwieriger, wir haben viel mit Aquajogging gearbeitet. Hier mussten wir oft sehr kurzfristig reagieren, weil alles manchmal alles anders gelaufen ist als geplant. Aber wir haben sicher auch wieder sehr viel richtig gemacht, sonst hätte Sebastian den  Titel in Vegas nicht verteidigen können.

Schon fast legendär sind die Videoaufnahmen aus dem Hubschrauber aus dem Vorjahr als Sebastian die Führenden beim Überholen förmlich stehen gelassen hat. Woher denkst du stammt seine Stärke beim Radfahren?

Seine Radstärke kommt sicher zum einen durch sein großes Talent fürs Radfahren zustande. Außerdem liegt es auch zu einem Teil an unserem Training, in dem wir sehr viel mit Kraft, aber auch mit Sprints auf dem Rad arbeiten. In seiner Jugendzeit hat er auch immer wieder Zeit beim Schwimmen verloren und musste so die ersten Radkilometer volle Kanne fahren, um nach vorne zu kommen. Das hat ihn am Rad stark gemacht.

„Wir arbeiten im Radtraining sehr viel mit Kraft, aber auch mit Sprints“

Viele Athleten trainieren nach der altbekannten Periodisierungsstrategie – 3 Wochen steigern 1 Woche pause, oder auch 3 Tage + 1 Tage Erholung. Eine andere, etwas neuere Form (auch aus den 80ern ist das Blocktraining. Nach welcher Philosophie lässt du deine Athleten trainieren?

Ich kenne beide (und noch weitere) Periodisierungsstrategien und wende diese auch an. Für Profiathleten ist das sehr individuell, da wird viel telefoniert, gesprochen und kurzfristig reagiert, so lässt sich hier nicht sagen, der eine Athlet trainiert so, und der andere so. Wenn wir im Winter in Deutschland trainieren, dann nach der Blocktrainingsmethode. Hier wird ein Spezieller Fokus auf das  Schwimmen und Laufen gelegt,  danach in den Trainingslagern liegt der Fokus auf dem Radfahren. Bei Agegroup- und bei Nachwuchsathleten finde ich altbekannte 3:1:2:1 und 3:1 Periodisierung am sinnvollsten.

Wie stehst du zu Krafttraining im Triathlon. Kommt es da auf die Konstititution eines Athleten an, ob man das in sein Training einbauen soll oder gehört es generell dazu? Wenn ja, welche Art ist sinnvoll?

Ohne Krafttraining geht im Triathlon nichts. In der Wintervorbereitung sollte es schon einen ziemlich hohen Anteil haben. Es geht nicht nur um die spezifische Kraft sondern auch darum, die die Belastungsverträglichkeit zu trainieren. Von den Übungen her finde ich beispielsweise die Kniebeuge mit großer Hantel, das Bankdrücken oder Klimmzüge sehr sinnvoll und wichtig. Ein Triathlet sollte, wenn er mit dem Krafttraining beginnt mit Kraftausdauer (mehrere Wiederholungen) anfangen, dann das Gewicht steigern und  dafür weniger weniger Wiederholungen machen. Die richtige Durchführung sollte am Anfang ebenfalls zu 100% sauber gelernt werden. Danach kann man die Gewichte steigern und die Wiederholungsanzahl senken. Hier braucht man als Triathlet keine Angst davor zu haben, großartig Muskelzuwächse zu haben, da hier die Trainingsumfänge so groß sind, dass der Körper nicht genug Energie hat um neue Muskeln aufzubauen. Im März/April kann man dann schon Maximalkraft tranieren, hier sollte die Muskulatur jedoch schon gut darauf vorbereitet sein.

„Man braucht als Triathlet keine Angst zu haben, großartig Muskelzuwächse zu haben. Der Körper hat nicht genug Energie um neue Muskeln aufzubauen“

Gibt es auch noch andere Dinge oder Sportarten, die du bei deinen Athleten versuchst einzubauen?

Was ich am besten finde, ist Langlaufen. Im Winter sollte das jeder Triathlet tun, egal ob Profi oder Altersklassenathlet. Beim Langlaufen ist Koordination, Ausdauer und Kraft dabei, alles was ein Triathlet braucht. Außerdem  lassen sich bei kaltem Wetter (wenn Radfahren schwierig wird) die Trainingsumfänge ohne starke Belastung des Bewegungsapparate hoch halten. Bei Agegroupern habe ich sogar die Erfahrung gemacht, dass es Leistungsmäßig mehr bringt, 3x 2 h pro Woche Langlaufen zu tranieren anstatt 3x 4h auf der Rolle zu sitzen. Was auch gut ist und für die Körperspannung viel bringt, ist Klettern. Allgemein sollte man gerade im Herbst vieles probieren, aber dabei nicht vergessen, dass wir Triathleten sind und deswegen Schwimmen, Radfahren und Laufen immer am Wichtigsten ist.

Kannst du uns hier auch ein paar Einblicke in Trainingseinheiten geben, die du mit deinen Athleten trainierst? Welche Philosophie steckt dahinter?

Ich bin ein großer Freund von Koppeltraining. Es ist etwas Besonderes an unserer Sportart, was über Siege und Niederlagen entscheidet. Ich kenne einige Leichtathleten, die unter 15min 5km laufen können, aber lass die vorher 20km Radfahren, und dann laufen sie auch 18min, obwohl die Voraussetzungen für deutliche bessere Zeiten hätten. Im Winter kann man Langlauf mit Laufen koppeln, MTB mit Laufen, im Frühjahr Radfahren mit Laufen und im Sommer dann auch Schwimmen mit Laufen.

Grundsätzlich trainieren meine Athleten sehr oft in sehr ruhigem GA1 Tempo. Diese „untere Grundlage“ ist für Mittel- und Langdistanzathleten sehr wichtig, da darauf später im Jahr die ganze Intensität aufgebaut wird. Hier sollte zunächst anfangs der Saison sauber gearbeitet werden. Wegen dieser Grundlage geht man im Winter doch auch ins Trainingslager. Viele Athleten machen hier den Fehler und trainieren im Trainingslager keine Grundlage, sondern sehen darin den Saisonhöhepunkt. Wir nennen das oft scherzhaft „Tour de Mallorca“ oder „Tour de Fuerteventura“. Die Männer müssen in jeder Trainingseinheit mehr als 30,0 km/h Schnitt haben. Das ist aber für keinen der Beteiligten dann mehr GA1. Es bringt mehr 150km in 6st zu fahren mit 25km/h Schnitt, als sich mit einem 30er Schnitt für den Rest der Saison abzuschießen. In Ruhe liegt die Kraft. Selbstverständlich muss man später hart trainieren, aber nicht unbedingt schon im Februar oder März, wenn der Körper darauf noch nicht vorbereitet ist.

Deine Spitzenathleten schätzen die persönliche Betreuung, bei denen Qualität vor Quantität geht. Nicht selten stehst du dann auch an der Strecke oder am Beckenrand und betreust das Training selbst. Trainieren deine Athleten ansonsten mit Pulsuhr, GPS und Wattmesser? Was haltest du generell von der elektronischen Aufzeichnung und Auswertung? Wertest du die Daten aus, wenn ja – worauf wird geachtet?

Meine Spitzenathleten trainieren hauptsächlich nach Gefühl. Obwohl ich Sport und Biologie studiert habe, bin kein großer Fan der Trainingssteuerung mit allen Mitteln. Im Rennen soll man sich auf seinen Kopf und Körper verlassen, und wenn im Training alles nur mit GPS, Puls, usw. gesteuert wird, verlernt man diese Fähigkeit sehr schnell. Aber manchmal als Unterstützung ist ein Wattmesssystem und GPS im Training ganz hilfreich. Bei Altersklassenathleten geht, meiner Meinung nach, ohne Pulsmessung fast nichts.

„Meine Spitzenathleten trainieren hauptsächlich nach Gefühl“

Triathleten vergleichen gerne den Trainingsumfang in Wochenstunden, mit denen Ihrer Kollegen. Wieviele Stunden trainiert ein Sebastian Kienle, eine Svenja Bazlen oder ein Andi Böcherer in der Vorbereitung auf einen Hauptwettkampf pro Woche – und macht so eine Angabe überhaupt Sinn?

Grundsätzlich finde ich den Vergleich in Stunden ein wenig besser als in Kilometern. Aber wir sind nicht verrückt danach, jede Woche 35 Stunden zu trainieren. Wir trainieren immer so viel, wovon wir der Meinung sind, dass der Körper das gerade braucht und auch verkraften kann. Ohne viele Trainingsstunden geht es natürlich nicht, aber ich finde unsere Trainingsumfänge jetzt verglichen mit anderen nicht übertrieben. Im Trainingslager kann es natürlich auch mal bis zu 45 Stunden raufgehen. Es gibt bestimmt sehr viele, die deutlich mehr als meine Athleten machen. Es ist auch schwer bei diesen 3 (Sebastien Kienle, Andi Böcherer und Svenja Bazlen, Anm.) Athleten zu sagen, wie viel sie trainieren. Alle drei sind sehr unterschiedlich und trainieren anders. Auch ist unsere Vorbereitung mit Sebastian in diesem Jahr anders als vor anderen Langdistanzen, weil er im Frühjahr verletzt war. Wir besprechen jeden Tag auf Hawaii das Training des Tages und planen für maximal 3 Tage vor.

Was haltest du von progessiven Läufen oder Radeinheiten?

Geile Sache, die ich super wichtig finde –  macht Spaß, tut aber auch ordentlich weh. Eine Einheit, die man zu meinen Absoluten Lieblingseinheiten zählen kann, ist die folgende. Dabei begleite ich sie meist mit dem Rad: 15km progressiver Lauf. Dabei laufen wir 5km in 4:00 + 4km in 3:45 + 3km in 3:30 + 2km in 3:15  und den letzten Kilometer in 3:00.

Derzeit beginnt gerade die Taperingphase für den Ironman in Hawaii. Kannst du uns ein, zwei Key-Sessions von Sebastian skizzieren, die in den letzten Wochen gemacht wurden?

Wir finden lange Läufe im hügeligen Gelände sehr wichtig in der Ironmanvorbereitung. Auf der Mitteldistanz geht es noch mehr um die Geschwindigkeit, auf der Langdistanz steht die Kraftkomponente im Vordergrund. Eine Keysession ist etwa ein langer Lauf von 30km, wo es am auf dem Hinweg bergauf geht, und dann auf dem Rückweg dann bergab. Hier versuchen wir auch die Schritte länger zu machen und dadurch schneller zu laufen. Eine weitere Einheit ist etwa das Schwimmtraining auf der originalen Wettkampfstrecke. So eine Schwimmeinheit wird dann auch sehr gern mit einem Radtraining verbunden. Ich trainiere Svenja, Andi und Sebi und möchte, dass meine Athleten die Besten werden. Nachdem hier auch die Konkurrenz mitliest, kann ich hier nicht mehr verraten.

Nach so einer harten Einheit ist eine schnelle Regeneration besonders wichtig – Wie wird diese gestaltet, welche Tools (Ernährung, Massage, Eisbäder?) setzt du da ein und warum?

Ausgewogene Ernährung ist für einen Profi extrem wichtig. Es lohnt sich auch Geld in das gesunde Essen zu investieren. Der Körper ist eigentlich das Arbeitsgerät und sollte so behandelt werden. Auch ein Hobbyathlet sollte auf die Ernährung achten. Man muss nicht komplett Askese betreiben und kann sich auch mal etwas Süßes kaufen, aber Fast Food hat im Triathlon meiner Meinung nach nichts zu suchen. Eisbäder im Sommer, Sauna im Winter, oder Compex gehören zu meinen Erholungsstrategien. Am besten finde ich allerdings die Massage. Man fühlt sich dabei wohl, die Muskulatur wird dabei gelockert. Und der Körper und der Kopf finden dabei die beste Entspannung nach einem harten Tag.

Du bist hauptberuflich Trainer und als solcher viel unterwegs – wie sieht dein Arbeitsalltag aus? Wieviele Stunden arbeitest du, wieviele Athleten betreust du? Kommst du selbst auch zum trainieren?

Meine Arbeitstage sehen immer anders aus, das ist auch das schöne an meinem Beruf. Es gibt Phasen in denen ich sehr viel arbeite, hauptsächlich wenn ich als sportlicher Leiter Camps auf Fuerteventura für HHT leite. Da sind dann Tage mit bis zu 18 Arbeitsstunden dabei. Am ruhigsten ist es meistens auf Hawaii, da betreue ich nur Sebastian und Andi vor Ort und ein paar Hobbyathleten aus Deutschland per Email / Skype. Dazu kommt, dass um diese Zeit auch viele im September oder Oktober die Saisonpause haben.

Als Trainer betreue ich derzeit 3 Spitzenathleten und 5 Athleten, die auf dem Weg an die Spitze sind. Alle meine Profiathleten, Sebastian, Andi und früher auch Ricarda sind nicht nur super Sportler, sondern auch sehr gute Freunde. Ich bin sehr froh, ihr Trainer und Freund sein zu dürfen. Zusammen mit den Altersklassenathleten komme ich auf 25 Sportler die ich trainiere.

Alle meine Profiathleten sind nicht nur super Sportler, sondern auch sehr gute Freunde von mir. Ich bin sehr froh ihr Trainer und Freund sein zu dürfen.

Ich und Training? Im Jahr 2013 habe ich sportlich nichts gemacht. Jetzt bewege ich mich wieder ein bisschen, aber als Training würde ich das noch nicht bezeichnen. Ich liebe meinen Job, das war der Hauptgrund, warum ich Ende 2012 meine Karriere beendet habe. Wenn du als Triathlontrainer jede Woche über 50st arbeitest und dazu noch 15St selbst trainierst, dann ist dein Leben von morgens bis abends voll mit Triathlon. Ich hab mich dann entschieden, nur den Weg als Trainer weiter zu verfolgen.

Vielen herzlichen Dank für das Interview und euch viel Erfolg in Hawaii!

Das Interview führte Markus Unterweger, Bilder (c) Lubos Bilek www.lb-training.com

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