HYROX

Mein erster HYROX – vom Krankenbett zum Fitness-Race

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Ein Erfahrungsbericht von triaguide-Herausgeber Andreas Wünscher

Lange Zeit war es sportlich ruhig bei mir. Nach dem Ende meiner aktiven Triathlon-Wettkampf-Laufbahn im Jahr 2021 hatte ich es einmal ruhiger angehen lassen. Schon in den letzten Jahren zuvor habe ich meinem Körper nach jedem Wettkampfjahr ein Jahr Wettkampfpause gegönnt – oder war es eher der Kopf? Auf jeden Fall dauerte es fast ein Jahr, bis mir mein Spiegelbild nicht mehr gefiel und ich mich entschloss, im Jahr 2023 wieder die eine oder andere Startlinie aufzusuchen. Mein lange gehegtes Ziel, einmal im Leben einen schnellen Marathon zu laufen, konnte ich am 7. Mai 2023 erreichen. Beim Marathon in Prag finishte ich mit einer Zeit von 2 Stunden und 55 Minuten und konnte so das große Ziel vieler Läufer, eine Sub-3-Zeit gleich beim ersten Mal schaffen. Nach einem persönlich turbulentem und schwierigem Sommer konnte ich noch den ein oder anderen kleinen Lauf bestreiten und war im Kopf eigentlich schon in der Vorbereitung für das Jahr 2024. Nach einem guten Start in den Winter bekam ich im Jänner 2024 dann wieder ein körperliches und auch mentales Tief und beschloss, erneut eine Pause zu machen. Ein anderes Ziel in meinem Leben ließ sich mit der frei gewordenen Zeit jedoch schnell finden. Ich kaufte mir ein Haus in der Südsteiermark und machte mich gleich an den Umbau. In 3 Monaten habe ich jede freie Minute und ganz viel körperliche Arbeit in die Verwirklichung meins Wohntraums gesteckt und im Juli war es dann soweit – ich bezog meine eigenen vier Wände, die ich ganz nach meinen Wunschträumen und Möglichkeiten für mich gestaltet hatte.

Doch wo Licht ist, ist meist auch Schatten. Diese Monate hatten Spuren hinterlassen. Neben meinem 40 Stunden (plus)-Job arbeitete ich jeden Tag bis spät in die Nacht am Haus – Wochenenden sowieso. Da ich viel selbst machen musste (wollte), hatte ich meinem Körper einiges zugemutet. Stemmen von Betonboden, Fliesenlegen, Verputzen, Ausgleichen, Möbel schleppen, alte Möbel rausreißen, Küche einbauen, recherchieren bestimmten meinen Tagesablauf. Ein großes Projekt war aber von Beginn an klar. Der Betonkeller sollte kein Betonkeller bleiben, er sollte mein eigenes kleines Trainingsparadies werden. Es war einer der ersten Räume im Haus, die fertig waren.

Doch fertig war ich auch – im wahrsten Sinne des Wortes. Von einem Tag auf den anderen war er da – ein unangenehmer Schmerz in meiner großen Zehe. „Werde ich mir wohl beim Möbelzusammenbauen überdehnt haben“, dachte ich mir anfangs und maß dem Schmerz keine besondere Bedeutung zu. Als mein Fuß plötzlich um das Doppelte anschwoll und dunkelrot wurde, tippte ich anfangs auf einen nicht bemerkten Insektenstich. Doch da war keiner. Dass ich plötzlich nicht mehr Auftreten konnte und ich morgens schreiend aus dem Bett stieg, da meine Fußsohlen und mein Sprunggelenk so weh taten, dass ich nicht mehr wusste, was ich tun soll, all das ließ mich ziemlich ratlos zurück. Ein Ärztemarathon mit zahlreichen falschen Diagnosen (Verdacht auf Gicht) und vollgepumpt mit Schmerzmitteln und Cortison bedeuteten keinerlei Besserung. Mehr als 6 Wochen lang tappte ich im Dunkeln. Erst ein Internist konnte mir weiterhelfen, der mir nach einigen Tests die niederschmetternde Diagnose gab: Arthritis psoriasis – eine Autoimmunerkrankung, die leider chronisch ist, aber zumindest behandelbar. Ich beschloss, mein Leben wieder einmal radikal umzustellen. Ich wollte mich nicht damit abfinden, ein Patient zu sein. Ich war seit 30 Jahren Leistungssportler und genau dorthin wollte ich wieder zurück.

Alleine der Gedanke klingt verrückt, doch es gab ein Thema, das mir schon seit einiger Zeit in meinem Kopf herumschwirrte. Triathlon war es nicht mehr und für den Marathon hatte ich auch schon ein bisschen das Feuer verloren – aber da gab es etwas, wovon ich schon einige Videos gesehen hatte und was rasch mein Interesse geweckt hatte – es war dieses Ding, das sich HYROX nannte. Schon vor meinem Hauskauf hatte ich mit etwas Krafttraining im Fitness-Studio begonnen – nach Jahrzehnten als halber Hungerhaken wollte ich endlich mal etwas Fleisch auf meine Knochen bekommen – ich wollte zum ersten Mal wirklich Muskeln aufbauen. Da mir dann der Hauskauf dazwischen kam, verlor ich das ganze wieder etwas aus den Augen – zumal ich immer im Zwiespalt war, da Laufen ja trotzdem meine Leidenschaft war. Aber dieses HYROX – ja, das wäre dann ja perfekt für mich. Kraft und Ausdauer in einem Wettkampf – ein cooler Body und schnelle Beine und vor allem – zumindest einmal aus der Ferne betrachtet – eine coole Community. Ja, da wollte ich hin – ich werde HYROX-Athlet, so mein Beschluss.

Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg. Ein Weg hin zum schmerzfreien Gehen – vom Laufen wollte ich noch gar nicht sprechen. Ich investierte viel Zeit und Geld in meine Heilung. Eine spezielle Laser-Therapie half mir mehr als die zuerst verschriebenen MTX-Präparate, die dir nur die Leber kaputt machen. Das Cortison hatte ich schnell wieder abgesezt. Gelenksnährstoffe, gute Ernährung und viel Therapie ließen mich langsam hoffen, dass sich meine Lage wieder verbessert. Zum Glück bekam ich letztlich doch die Therapie mit den hochwirksamen Biologika genehmigt, die mir letztlich dann den ersten Heilungsschub gegeben hatten.

Ganz vorsichtig konnte ich Anfang November meine ersten zaghaften Laufversuche unternehmen. Ein paar Minuten gingen bereits schmerzfrei. Ich schrieb mich ins Fitness-Studio ein und upgradete meine „Pain-Cave“ mit einem Concept-2-Row- und einem Ski-Ergometer. Wenn man schon ein Haus kauft, bekommt man eine andere Relation zu Geld – also gönnte ich mir.

Da ich aber nicht die geringste Ahnung hatte, wie ich das Training für einen HYROX-Bewerb angehen sollte, nahm ich Kontakt mit Alexander Gräf auf. Ich kannte Alex schon viele Jahre und verfolgte seinen Weg als Athlet und Trainer mit seiner Firma ReWork. Seine unkonventionelle Art und Herangehensweise haben mir schon immer gefallen und auch in früheren Jahren hatte ich schon die ein oder andere Unterhaltung mit ihm, wo er mir einige wertvolle Inputs zum Thema Kraftraining geben konnte. Also beschlossen wir, das Projekt gemeinsam anzugehen.

Alex zeigte viel Einfühlungsvermögen und kümmerte sich um meine Belastungssteuerung. Dass ich nicht mehr der Athlet war, der ich vor 3 oder 4 Jahren war, merkte ich bereits bei den ersten Einheiten. Mit meiner Diagnose (und mittlerweile auch mit meinen bald 45 Jahren) kann ich nicht mehr diese extremen Umfänge trainieren wie in früheren Jahren. Kürzere Einheiten, ausreichend Erholung und auch bei den Intensitäten musste ich mich immer noch zurückhalten. Mein erster Testwettkampf sollte der Silvesterlauf in Graz über 5 Kilometer sein. Da wir zuvor so gut wie keine wirklichen Intensitäten gelaufen sind, war meine Erwartung sehr gering. Der Lauf entpuppte sich als schmerzhafter als erwartet. 1 1/2 Jahre ohne Wettkämpfe ließen mich vergessen, wie sehr man bei so kurzen Wettkämpfen leiden muss. Dennoch reichte es für mich zu einem Stockerlplatz in der M40 und einem Kilometerschnitt von 3:48.

Der Jänner war dann allerdings einer zum Vergessen für mich. Nach dem Silvesterlauf ging es für mich 5 Tage auf Kurzurlaub, der zwar meiner Seele gut getan hat, aber mir im Training natürlich gefehlt hatte. Als ich zurück kam, standen die beiden wichtigsten Trainingswochen vor meinem HYROX-Debüt an – oder besser gesagt – sie wären angestanden. Ein bakterieller Infekt erforderte ganze 14 Tage Trainingspause. Ein Nachteil an meiner medikamentösen Therapie ist, dass ich immunsupprimiert bin – das heißt, mein Immunsystem wird quasi heruntergefahren, damit meine Krankheit nicht ausbrechen kann. Was den Nachteil hat, dass Infekte, die normalerweise schnell ausheilen, sich länger ziehen können. So war es dann auch und es blieben mir lediglich ein paar lockere Einheiten vor meinem ersten HYROX, der am 9. Februar in St. Gallen (Schweiz) über die Bühne ging.

Ich hatte mich selbstverständlich gleich für die PRO-Kategorie angemeldet, was bedeutet, dass viel schwerere Gewichte geschoben, gezogen, getragen und geworfen werden müssen. Tja, Andi, wer angeben will, der muss auch leiden. Aber das ist eben mein Mindset – bei mir gibt es eben nur Ganz oder gar nicht und ich sah mich von Beginn an in dieser Kategorie – und ich wollte dies auch durchziehen, auch wenn es bedeuten sollte, dass ich ordentlich auf die Mütze bekomme.

So ging es für mich gemeinsam mit meiner Freundin am Tag zuvor erst nach Bregenz, am Renntag dann in die Schweiz. Alex meinte, ich sollte den Bewerb einfach mal machen, um zu lernen. Ich liebäugelte nach dem ganzen Jänner-Desaster auch mit einem Startverzicht, doch ich war letztlich froh, mich doch anders entschieden zu haben. Die Atmosphäre hat mich gleich beim Eintritt in die Halle in ihren Bann gezogen. Einfach coole Leute, eine super Stimmung – hier war ich richtig. Die frühe Anreise zur Wettkampfstätte ließ mir noch jede Menge Zeit, mir alle Wege einzuprägen und den früher startenden Athleten über die Schultern zu schauen.

Um 18:40 war ich dann an der Reihe. Nach einem (zu) kurzen Aufwärmen fand ich mich bei berühmten Red-Bull-Startgate ein und startete mit der wie ich glaube ersten Profi-Welle des Tages in mein erstes HYROX-Abenteuer. Nach dem Startschuss ging es los – die ersten 3 Laufrunden standen an. Ich lief recht flott an, bemerkte aber sofort, dass ich die Intensität unterschätzt habe oder besser gesagt, dass ich diese an diesem Tag nicht mitgehen konnte. Ich ließ die ersten 3 Läufer ziehen und rasch zogen Läufer und Läufer an mir vorbei. Da ich wusste, dass ich aufgrund meiner Zeitvorgabe bei der Anmeldung wohl in der schnellsten Startgruppe bin, geriet ich nicht in Panik, dass ich nach hinten durchgereicht wurde. Ich konzentrierte mich auf die erste Übung. 1000 Meter Ski-Ergo. Hier hielt ich die Intensität bewusst unten, um nicht am Anfang zu überziehen. Die Zeit war dennoch ganz passabel und ich ging gleich wieder auf die Laufrunden. Dort merkte ich allerdings, dass ich wieder Probleme hatte, schnell zu laufen. Ich hatte das Gefühl, mein Oberkörper und meine Beine passen nicht zusammen. Aber ich blieb ruhig und sparte Kraft für Übung Nummer 2 – den Sled Push – hier galt es 203kg auf einem Schlitten 50 Meter weit zu schieben. Ich kam ganz gut über die Runden – machte immer wieder kurze Pausen, wie mir geraten wurde. Doch nach dieser Übung war mein Rücken zu. Der anschließende Lauf fühlte sich grausamst an. Übung Nummer 3 war dann der Sled Pull (150kg). Von vielen Neulingen gefürchtet, ging es mir subjektiv gar nicht so schlecht – gut ich war nicht wirklich schnell, aber das hatte ich auch nicht erwartet. So litt ich mich durch die Laufrunden und die Übungen. Die Burpee-Broadjumps konnte ich wegen meines oft noch schmerzenden Zehgelenks (tagesabhängig) so gut wie gar nicht trainieren, ebenso wie die Sandbag-Lunges. So ging es vor allem bei diesen beiden Übungen nur darum, halbwegs durchzukommen. Der erste wirkliche Scharfrichter war für mich die drittletzte Übung, der „Farmers Carry“. Hier gilt es 2x32kg schwere Kettlebells in der Hand über 200 Meter zu tragen. Dies ist eine unfassbare Belastung für die Unterarme – ein Muskel, den ich noch nie in meinem Leben zuvor bewusst trainiert habe. Griffkraft ist was für Kletterer, ein Radfahrer, Triathlet und Läufer braucht sie eher nicht. Beim HYROX brauchst du sie und obwohl ich die Übung mit ein paar Mal Absetzen dann doch geschafft habe, war die eigentliche Auswirkung der Sache erst in der Übung darauf zu spüren. Die 100m Sandbag-Lunges. Hier musste ich einen 30-Kilo-Sandsack am Rücken tragen und dann abwechselnd mit einem Knie zu Boden gehen und dabei eine Strecke von 100 Metern zurücklegen. Was das nach 7.000 Metern Laufen im Wettkampftempo und 6 Kraftübungen bedeutet, kann man sich vielleicht vorstellen. Zu meiner Überrachung hatte ich aber keine Probleme mit den Beinen, sondern ich schaffte es kaum, den Sandsack zu halten. Meine Unterarme explodierten beinahe und ich wollte mehr als einmal den Sandsack einfach fallen lassen, was aber eine Zeitstrafe bzw. eine Disqualifikation bedeutet hätte. Also gab ich alles, was ich hatte, um den Sack am Rücken zu lassen und quälte mich durch die vorletze Übung. Der letzte Lauf war ein einzigartiger Leidensweg. Ich wusste schon, dass ich keine gute Zeit mehr erreichen konnte, hatte die Gesamtbelastung sicher unterschätzt, vor allem im Hinblick auf meine durchwachsene Vorbereitung. Ich wollte es einfach nur hinter mich bringen. Die wahrscheinlich gefürchtetste Übung wartete nämlich zum Schluss. 100 Wallballs mit einem 20-Kilo-Medizinball, den man in 3 Meter Höhe werfen und fangen muss. Dazwischen muss eine Kniebeuge mit spitzem Kniewinkel gemacht werden. Was so ein 20-Kilo-Wallball mit meinen explodierenden Unterarmen und meinen verschwitzten Händen macht, kann man sich vorstellen. Ich quälte mich durch die 100 Wiederholungen und benötigte dafür sage und schreibe 10 Minuten. Zu oft musste ich absetzen und durchatmen. Doch irgendwann war auch das geschafft und ich konnte mich mit einer Endzeit von 1 Stunde, 29 Minuten und 41 Sekunden als HYROX-Finisher mit einem Finisher-Badge ehren (und 2 Finisher-Bieren) ehren lassen.

In den ersten Minuten konnte ich nichts anfassen (gut, das Bier konnte ich bald halten), aber meine Unterarme schienen zu explodieren. Aber ich war stolz – ich war happy und ich war mir sicher – ich bin hier richtig. Auch wenn ich die pure Intensität dieses Bewerbs mit meiner Langdistanz-Vergangenheit vielleicht mehr spüre als andere, ich fand es einfach geil. Ich war einfach dankbar, nach all diesen turbulenten Zeiten hier das Ziel erreicht zu haben. Es ist zwar ein bisschen pervers, aber ich freute mich schon auf meinen nächsten Bewerb. Am 23. Februar finden in Wien die Open European Championships statt. Hier kann ich mich dann erstmals mit den „leichteren“ Gewichten antesten und bin schon gespannt, wie groß der Unterschied zwischen den beiden Kategorien wirklich ist. Ich hoffe, ich finde neben meinem Training und sonstigen Verpflichtungen trotzdem Zeit, euch regelmäßig up-to-date zu halten über meine HYROX-Abenteuer.

Mein Fazit

Als ich mich für meinen ersten HYROX angemeldet hatte, war die Zeit, die ich mir an der Finishline vorgestellt hatte, ganz sicher nicht jene, die ich an diesem Tag dann tatsächlich erreichen konnte. Das ist natürlich Tatsache. Warum ich trotz allem glücklich bin? Weil der Weg dorthin und das Erlebnis am Renntag einfach mehr wert sind als irgendwelche Zahlen. Natürlich wäre ich gerne schneller gewesen, aber es war mein erster Start. Auch mein erster Triathlon vor 18 Jahren war für mich auf den ersten Blick „enttäuschend“ gewesen, weil ich in meiner Vorstellung besser war als in der Realität. Aber wisst ihr was? Das war erst der Anfang – und aller Anfang ist schwer – heute ist nicht aller Tage, ich komm (stärker) wieder, keine Frage 🙂

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