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Quo vadis IRONMAN?

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Ein Kommentar von triaguide-Herausgeber Andreas Wünscher

Liebe Triathlon-Community. Ich habe mir angewöhnt, Dingen, die mich emotional triggern, Zeit zu geben, bevor ich meinen Senf dazu abgebe. Aus der ersten Emotion heraus neigt man dazu, auch in seiner Meinung (zu) einseitig zu sein und vergisst dabei so manche Aspekte und Gegenargumente.

So habe ich es in den letzten Jahren gehandhabt und genauso agiere ich jetzt in diesem Falle. Die Ankündigung des Branchenriesen IRONMAN, ab dem Jahr 2023 die Weltmeisterschaften für Damen und Herren an anderen Orten auszutragen, was nichts anderes als das Aus für den IRONMAN Hawaii für Männer im nächsten Jahr bedeutet, habe ich erstmals (fast) unkommentiert an die Community weiter gegeben. Für einen journalistischen Kommentar habe ich mir nun einige weitere Tage Zeit genommen und versuche, diesen möglichst frei von Emotionen, aber nicht frei von Meinung, wiederzugeben. Letztlich möchte ich auch einige Lösungsvorschläge auf den Tisch legen, die IRONMAN möglicherweise helfen könnten, aus dem (nicht ausschließlich selbstverschuldeten) Dilemma wieder heraus zu kommen.

Vorab – ich habe meinen letzten Triathlon vor etwa 1 ½ Jahren bestritten – es war der IRONMAN 70.3 in Graz – ein großartiger Bewerb in meiner Heimatstadt. Ich in für mein Leben gerne bei IRONMAN-Veranstaltungen an den Start gegangen, weil ich die Stimmung genossen habe, die hohe Organisationsqualität und nicht zuletzt die Menschen hinter den Veranstaltungen. IRONMAN, vielmehr die Besitzer hinter dieser Marke wurden oft aufgrund ihres kommerziellen Denkens kritisiert – ich habe in den meisten Fällen eine verteidigende Position eingenommen, da es das Wesen eines Unternehmens ist, auch ökonomisch erfolgreich zu sein. Woran auch nichts Verwerfliches ist.

Eine Durchsicht älterer Artikel und Kommentare wird zeigen, dass ich mich in das oft kollektive „IRONMAN-Bashing“ niemals destruktiv eingebracht habe. Manchmal, wenn Kritik angebracht war, musste auch ich meinen Finger in die Wunde legen. Letztlich war die Zusammenarbeit mit IRONMAN über fast 15 Jahre aber eine durchwegs positive.

Was mich aber nicht davon abhalten kann, meiner Meinung nach drastische Fehlentscheidungen im Sinne der Community und des Sports zu ignorieren und unkommentiert zu übernehmen. Aus persönlicher Sicht habe ich keine große Bindung zu Big Island. Ich war als Athlet nie vor Ort und die Qualifikation für den Bewerb war für mich, trotz vorhandener sportlicher Fähigkeiten, keine ernsthafte Option bzw. Ziel für mich. Als mehrfacher Teilnehmer an einer 70.3-WM konnte ich allerdings schon WM-Feeling genießen und auch unterschiedliche Destinationen, Australien und Amerika, kennenlernen.

Die damalige Entscheidung, die 70.3-WM wandern zu lassen und getrennte Renntage für Männer und Frauen zu machen, war in diesem Zusammenhang wohl die richtige Entscheidung. Die Qualität der Events wurde von Jahr zu Jahr besser, weil sich die Veranstalter selbst übertrumpfen wollen.

Dies war auch ein Argument von IRONMAN, diese Option auch für die Langdistanz immer wieder einmal im Hinterkopf zu haben. Die Corona-Pandemie sollte nun „Geburtshelfer“ für neue Wege sein.

Dass dieser Weg nicht ganz freiwillig war, sieht man ja an der aktuellen Vorgehensweise. Dies bringt mich bereits direkt in meinen ersten und wahrscheinlich auch heftigsten Kritikpunkt. Die Kommunikation. Abseits aller Argumente dafür und dagegen ist die Kommunikation von IRONMAN seit Beginn der Pandemie unterirdisch. Bei allem Verständnis für die Herausforderung einer globalen Pandemie, nationalen Problemen und einem prall gefüllten Eventkalender, den es zu managen gilt – die ewig gleichen Ankündigungen und eine Blaupause von Pressetexten, der weltweit gleich schienen und dennoch mehr Fragezeichen hinterließen als Klarheit schafften.

Nun, in einer einzigartigen Krise macht niemand alles richtig – Probleme wie Startplatzverschiebungen, Rennabsagen, Gutscheine und Refundierungen hier zum Thema zu machen, würde den Rahmen sprengen. IRONMAN befand sich wie viele Firmen zu diesem Zeitpunkt in einer existentiellen Krise und ich maße mir nicht an, es besser hätte machen zu können.  

Die Ankündigung von zwei getrennten Renntagen beim IRONMAN Hawaii 2022 konnte ich aufgrund des massiven Rückstaus an Quali-Plätze als einmalige Aktion noch verstehen. Dass dies aber lediglich das Testfeld für eine weitere Erweiterung des Rennprogramms sein sollte, wurde klar, als IRONMAN bereits im Sommer ankündigte, bei den beiden Renntagen zu bleiben.

Nur hatte man die Rechnung wohl ohne den Wirt gemacht. Der Wirt war in diesem Falle die Bevölkerung und die politischen Verantwortungsträger in Kailua-Kona, die von der Idee von Anfang an nicht gerade begeistert waren, dem ganzen aber dennoch eine Chance geben wollten. Eine überfüllte Insel, teils exorbitante Zimmerpreise und allgemein inflationsbedingte Preisanhebungen machten Kona für viele in diesem Jahr zu einer finanziell unerreichbaren Hürde.

Über das Erlebnis von zwei unterschiedlichen Renntagen lässt sich auf alle Fälle diskutieren. Positiv ist mit Sicherheit, dass die Damen die alleinige Aufmerksamkeit auf ihr Rennen hatten. In wiefern sich die Zuschauerzahlen beim Männer- und Frauenrennen unterschieden haben, kann ich nicht final beurteilen, da mir die Zahlen nicht vorliegen. Ich gehe aber so weit, zu behaupten, dass sich am Samstag eine höhere Zahl an Menschen den Bewerb angesehen haben. Somit scheint die absolute Reichweite für Frauen eher gesunken als gestiegen zu sein.

Da man es aus logistischen Gründen nicht schafft, die Rennen an zwei Tagen hintereinander zu veranstalten, musste der Donnerstag als zusätzlicher Renntag dienen. Da dies die Arbeit und das Leben der Bewohner von Kailua-Kona stärker betraf als zunächst angenommen, wuchs auch der Widerstand der Bevölkerung gegen die Zwei-Tage-Lösung.

IRONMAN steckte nun in einem Dilemma. Die Möglichkeit, 5.000 Athleten nach Kona zu bringen, ungeachtet dessen, was dies für Athleten und Bevölkerung bedeutet, war wohl zu verlockend, um ausreichend über die Konsequenzen und Alternativen nachzudenken. Nachdem die Politik auf Big Island unmissverständlich zu verstehen gab, dass es keine zwei Renntage auf Hawaii geben wird, musste panisch eine Lösung gefunden werden. Schließlich verlautbarte man, dass es 2023 nur ein Frauenrennen auf Big Island geben wird – die IRONMAN World Championship der Männer werden 2023 an einem anderen Ort stattfinden, und alternierend wechseln. Wo und wann die WM stattfindet – davon hatte man auch eine Woche nach der Verlautbarung keine Antwort und soll auch nach Aussage von IRONMAN CEO Andrew Messik im Interview mit den Kollegen von Tri-Mag auch vor Jänner nicht verlautbart werden.

Ein ziemliches Schlamassel, in das sich die Verantwortlichen hier begeben haben und hier die Schuld an andere Stelle zu schieben, wird nicht gelingen. Die Reaktionen der Profis ließen nicht lange auf sich warten und sind, soweit ich es gesehen habe, durchgehend negativ.

Hawaii ist und bleibt das Mekka der Triathleten, ob Profi oder Amateur. Wenn selbst Profis den Sieg auf Hawaii als das höchste zu erreichende Ziel definieren und dafür alles andere (auch besser dotierte Rennen) unterordnen, sollte man sich bewusst sein, welch Segen, aber auch welche Verantwortung man im Umgang mit dieser Tatsache hat. Fakt ist – IRONMAN behandelt seine Profis nicht gut – die Preisgelder stagnieren seit Jahren und mit wenigen Ausnahmen bietet man den Profis auch keine besonders gute mediale Bühne. Das können und machen andere besser – beginnend mit der Super League, die vor ein paar Jahren neue Impulse setzte und in noch stärkerem Ausmaß die PTO, die neue Rennformate generiert, mit erstklassiger Vermarktung und einem dicken Geldkoffer in der Hand.

Das Einzige, was die PTO nicht hat, ist das Rennen auf Hawaii. In Wahrheit ist es das Einzige, was die Top-Profis wohl noch im IRONMAN-Zirkus hält. Ich halte es für brandgefährlich, diese Tatsache zu ignorieren mit dem Hinweis, dass man ja ohnehin alle zwei Jahre die Möglichkeit hätte, in Kona zu starten. Da die PTO ebenfalls plant, die PTO-Tour 2023 mit einem Langdistanz-Format zu ergänzen, könnte dies, wenn man die Fußballsprache bedienen möchte, ein aufgelegter Elfmeter ohne Torwart und mit zweitem Versuch sein.

So schön die in diesem Frühjahr notwendige Alternative in diesem Jahr mit den IRONMAN World Championship in St. George/Utah auch war, so zeigte sie doch eines deutlich – Kona ist und bleibt Kona. Kristian Blummenfelt, bei weitem nicht als Triathlon-Nostalgiker bekannt, kann sich mit seinem Sieg in Utah und seinem Sieg bei der 70.3-WM nicht über die Tatsache hinweg trösten, dass er Kona nicht gewonnen hat. Das arbeitet in ihm und ist eine Schelte, die er ausmerzen will – möglichst noch vor den Olympischen Spielen in Paris. Jan Frodeno wollte seine Karriere mit einem Sieg in Kona beenden – nicht mit einem Sieg in Nizza, Frankfurt oder Utah.

All diese Dinge müssten IRONMAN doch laut und deutlich zeigen, dass sie einen fatalen Fehler begehen. Ein Fehler, den ich nicht einmal wirtschaftlich begreifen kann. Ein weiteres Rennen an einem anderen Ort bedeutet auch erhebliche Mehrkosten für die Organisation. Wie Andrew Messik selbst sagt, aus wirtschaftlichen Gründen hat man hier keinen Vorteil, da wäre man mit zwei Renntagen auf Hawaii natürlich besser dran. Selbstverständlich wäre ein Event in Nizza, Frankfurt, Utah oder wo auch immer gewinnbringend, wenn sich 2500 Athleten im nächsten Jahr dort einfinden – wenn!

Warum man sich auf die Tatsche versteift, unbedingt 5.000 Athleten bei einer IRONMAN World Championship am Start haben zu müssen, mag mir immer noch nicht so richtig einleuchten. Wenn man den Preis bedenkt, den man dafür bezahlen muss. Bei mehr als 100 Events rund um den Globus kann der zusätzliche Benefit nicht so groß sein, wenn man das Risiko bedenkt, das man mit diesem Schritt eingeht.

Ich stelle jetzt einmal ein paar Thesen in den Raum, die ich als Lösungsmöglichkeiten sehe, die sowohl ökonomisch, als auch sportlich aus meiner Sicht vertretbar bzw. sogar besser wären. Dass diese Lösungen nicht den Geschmack jedes Athleten treffen würden, ist mir bewusst, dennoch leiste ich mir diese Denkanstöße.

Möglichkeit 1: Renntag mit 3.000 Startern M/W – höheres Startgeld

Mit optimiertem Setup und stärker ausgeweiteten Startwellen kann ich mir vorstellen, dass eine Teilnehmeranzahl von 3.000 Starterinnen und Startern realistisch umsetzbar sein kann. Wir würden zu jenem Modus zurückkehren, der 40 Jahre lang bestens funktioniert hat. Es würde jedes Jahr eine spannende Entscheidung geben und die IRONMAN World Championship auf Hawaii würden das bleiben, was sie sind – der unumstrittene Höhepunkt des Triathlonjahres. Ich glaube, diese 3.000 Starterinnen und Starter wären auch bereit, ein Startgeld in der Höhe von 2.000 Dollar für ein möglicherweise einmaliges Erlebnis zu bezahlen. Sofern sich die Preise bei einer normalen Belegung der Insel wieder auf ein Normal-Niveau absenken, wird dies für die Teilnehmer auch leistbar sein.

Möglichkeit 2: Änderung des Quali-Modus

Ein Grund, warum man unbedingt die Starterzahl bei den World Championship erhöhen will, ist die immer höher werdende sportliche Hürde. Mehr Events bedeuten weniger Quali-Plätze pro Event – eine plausible Rechnung. Auch wenn eine WM einen gewissen Elitarismus behalten sollte, kann ich dem Argument, die Quali für eine WM etwas zu vereinfachen, durchaus etwas abgewinnen.

Der ehemalige IRONMAN Europe-CEO Stefan Petschnig hatte vor einigen Jahren eine grandiose Idee. Er initiierte ein globales Agegroup-Ranking, das nach einem Jahr Testbetrieb in Europa auch so umgesetzt wurde. Es diente dazu, Treue und Leistungsfähigkeit von Athleten zu belohnen und ihnen einen so genannten „All world Athlete“-Status in Gold, Silber und Bronze zu geben. Bei jedem IRONMAN- und 70.3-Event konnten Punkte verdient werden, insgesamt 3 Rennen kamen in die Wertung (sofern ich das richtig in Erinnerung habe). Warum nimmt man nicht dieses Ranking als Basis für die Hawaii-Quali? Einerseits hätten auch andere Athleten die Chance, sich zu qualifizieren und es würde die Bindung an die Marke IRONMAN erheblich verstärken – und Bindung bedeutet auch gleichzeitig Cash für die Investoren.

Möglichkeit 3: Quali-Möglichkeit für Agegroup alle 2 Jahre

Die dritte Möglichkeit wäre es, bei den Agegroup-Athleten die WM nur alle zwei Jahre alternierend zu machen – somit hätten die Athleten zwei Jahre lang die Möglichkeit für eine Qualifikation und das Starterfeld würde auch bei den Damen qualitativ ansteigen. Zudem würde es auch den „Wert“ des Profirennens und des Profidaseins erhöhen, wenn man hier jährlich eine Entscheidung auf Hawaii hätte. Dieses Szenario halte ich persönlich von den dreien aber für das am wenigsten Erstrebenswerteste – es sei nur der Vollständigkeit angeführt.

Abschließend wünsche ich mir persönlich, dass jene Sportler, die sich mit meiner Meinung und meinen Vorschlägen, wenn auch nur zum Teil, identifizieren können, ihre Handlungen auch dementsprechend setzen. Ich würde es schade finden, wenn der Mythos Hawaii und die Bedeutung dieses Rennens sinkt und verwässert wird. Noch ist es denke ich nicht zu spät, die richtigen Entscheidungen zu treffen, auch wenn mein bescheidenes Wort wohl nicht genügend Gewicht hat, hier etwas zu verändern – ich will mir nur nicht vorwerfen können, dazu geschwiegen zu haben!

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