Kommentar von triaguide-Herausgeber Andreas Wünscher
Erst kürzlich wurde die ITU-Präsidentin Marisol Casado als Präsidentin des Weltverbandes wieder gewählt. Unbestritten sind die Verdienste der Spanierin, die Triathlon international vernetzt bestens vertritt. Als IOC-Mitglied hat sie ein gewichtiges Wort mitzureden und war unter anderem auch mitverantwortlich dafür, dass wir 2021 in Tokyo eine Mixed-Relay-Entscheidung sehen werden.
Nun wollte sich die Präsidentin des Verbandes, der seit kurzem unter „World Triathlon“ fungiert, ein weiteres Denkmal setzen und beantragte für die Spiele in Paris 2024 die Austragung eines weiteren Bewerbes. Ein Eliminator-Rennen sollte es sein – kurzweilig, spannend und mit Sicherheit interessant. Doch die Frage muss erlaubt sein – für wen?
Die Diskussion von Kurz- vs. Langdistanz gibt es schon sehr lange, die Diskussion von Non-Drafting-Rennen gegen jene, wo Windschattenfahren verboten ist.
Vorbei sind zum Glück auch die Zeiten, wo die Kurzdistanz-Athleten sportlich von den „Ironmännern“ belächelt wurden, da sie keine wahren Triathleten seien. Es steht bei Triathlonkennern außer Diskussion, dass es sich bei den Triathleten, die zu den Olympischen Spielen fahren, um absolute Spitzensportler handelt, die alle drei Disziplinen auf Weltklasseniveau beherrschen.
Trotzdem lässt es sich nicht leugnen, dass der Kurzdistanz-Sport die Herzen der allgemeinen Triathlonfans nicht so erreicht wie andere Formate. Nun konnte man das hohe Interesse für den IRONMAN auf Hawaii und den dazugehörigen Rennen dieser weltweit umspannenden Serie noch mit der gewachsenen Tradition und der eigenen Identifikation mit dem zu Leistenden erklären. Als Hobbysportler kann man sich mit der Herausforderung Langdistanz einfacher identifizieren und weiß oft, was es bedeutet, 3,8 Kilometer zu schwimmen, 180 Kilometer zu radeln und darauf einen Marathon zu laufen. Wer sich das nicht vorstellen kann und dies noch nicht gemacht hat, dem bleibt zumindest die Bewunderung dafür.
Anders sieht es hier oft bei der Kurzdistanz aus. Die Strecken scheinen für jedermann bewältigbar, die pure Geschwindigkeit, die jeden Hobbyportler binnen kürzester Zeit ins Nirvana befördern würde, ist für viele jedoch nicht so präsent.
Nun haben wir den Vergleich von Langdistanz und Kurzdistanz und können uns erklären, warum das Publikums- und Medieninteresse an der Langdistanz höher ist. Dies hatten wir in der Vergangenheit ja auch bereits ein paar Mal thematisiert.
Doch vor wenigen Tagen passierte etwas, das den Verantwortlichen von „World Triathlon“ schwer im Magen liegen dürfte. Es war nicht (nur) die Ablehnung des IOC des Antrags auf die Austragung eines Eliminator-Rennens.
Eine bis vor einem Jahr noch nicht groß in Erscheinung getretene Organisation namens PTO (Professional Triathletes Organisation) veranstaltete gemeinsam mit der Challenge Family eine PTO Championship in Daytona am Daytona International Speedway. Den Bewerb gab es in der Vergangenheit bereits, doch er hatte international noch keine allzu große Strahlkraft. Nun gelang es der PTO, vor allem natürlich unter Zuhilfenahme eines Rekord-Preisgeldes, das vielleicht strahlkräftigste Feld der Triathlongeschichte nach Florida zu bringen.
Ich verwende bewusst das Wort „strahlräftig“ und nicht das Wort „bestes“ Feld. Denn das ist genau der Punkt. In einer normalen Saison ist die Leistungsdichte bei einem WM-Serienrennen der Kurzdistanz wahrscheinlich ähnlich gut, wahrscheinlich sogar stärker besetzt – doch das Interesse daran ist international überschaubar. Ähnliches gilt übrigens auch für die vor wenigen Jahren ins Leben gerufene „Super League Triathlon“, die zwar mit spannenden und innovativen Formaten aufweist, die Masse aber eben so wenig fesselt wie die Kurzdistanz.
Ob es nun an der besonderen Situation des Coronajahres 2020 lag, dass die Erwartungen und das Interesse an die PTO Championship so groß waren, mag eine durchaus legitime Frage sein.
Eines steht aber außer Frage – das Interesse war riesengroß. Die Kollegen des deutschen Triathlon-Magazins erreichten Rekordwerte auf ihrem Live-Ticker und das, obwohl die Sportschau live übertrug und das Rennen weltweit als perfekt in Szene gesetzter Videostream verfügbar war.
Das Rennen in Daytona ging über die Mitteldistanz, besser gesagt eine etwas verkürzte Mitteldistanz. 2 Kilometer Schwimmen, 80 Kilometer am Rad und danach 18 Kilometer Laufen. Alles auf dem legendären Daytona Speedway. Ohne Windschatten. Ein Fakt, der das Duell Kurz- gegen Mittel/Langdistanz äußerst interessant machte. Und zeigte, dass so mancher Kurzdistanz-Athlet nach 80 Kilometern höchstem Druck in Aeroposition dann doch noch ins Straucheln kommen konnte – sie waren also doch auch nur Menschen. Gewonnen hat mit dem Norweger Gustav Iden trotzdem einer aus dem Kurzdistanz-Zirkus.
Das Rennen in Daytona hat uns auch gezeigt, dass Non-Drafting-Triathlon fernsehtauglich sein kann und dass er fair geahndet werden kann. Der Grund, warum der Olympische Triathlon mit Windschattenfreigabe stattfindet, war die ursprüngliche Diskussion um Fairness und Handhabung der Regularien. Nun, knapp 25 Jahre nach diesen ganzen Diskussionen kann man sehen, dass dies technisch, vor allem bei einem reduzierten Feld, alles möglich ist.
Wenn ein Verband, der sich seit kurzem „World Triathlon“ nennt, eine Facette seines Sports weiterhin völlig ignoriert, darf er sich nicht wundern, dass er in der Wahrnehmung ignoriert wird.
Dazu eine Frage an den Leser – könnt ihr euch noch an die Top-3 der heurigen WM in Hamburg erinnnern? Ohne nachzuschauen? Könnt ihr euch noch an die Top-3 auf Hawaii 2019 erinnern?
Ich möchte, dass dieser Artikel nicht als Bashing oder Respektlosigkeit gegenüber den Kurzdistanz-Athleten verstanden wird. Als Journalist und auch als ehemaliger Leistungssportler kann ich einschätzen, was hier geleistet wird.
Doch eine Frage muss gestattet sein – warum verschließt man sich grundsätzlich davor, Non-Drafting-Formate wie zum Beispiel eine Mitteldistanz in die Überlegungen für eine zukünftige Austragung bei den Olympischen Spielen aufzunehmen?
Im Schwimmsport gibt es 50-Meter-Sprinter und es gibt 10 Kilometer Open-Water-Bewerbe bei den Spielen. Beides grundverschiedene Sportarten. Es gibt Radbahn-Bewerbe, die knapp eine Minute Rennzeit haben und es gibt das olympische Rad-Straßenrennen, das über 7 Stunden und 250 Kilometer geht. Beides ebenfalls verschiedene Anforderungen. Im Wintersport gibt es Slalom und Abfahrt – kein Skifahrer dieser Welt könnte heutzutage beide Bewerbe für sich entscheiden.
Genauso ist es auch im Triathlon. Unser Sport ist so facettenreich und eine Organisation, die sich seit neuestem „World Triathlon“ nennt, sollte eben auch allen diesen Facetten eine gewisse Aufmerksamkeit verleihen. Es würde ihr Schaden nicht sein.